Sappho Fragment

H. D.

(* 10. September 1886 in Bethlehem, Pennsylvania; † 27. September 1961 in Zürich, Schweiz)

Fragment 113

“Weder Honig noch Biene für mich. ”
-SAPPHO.

Nicht Honig,
nicht die Beute der Biene
aus Blüten von Wiese oder Sand
oder Busch am Berg;
aus Winterblüten oder Trieben,
geboren aus später Glut:
nicht Honig, nicht den süßen
Farbfleck auf Lippen und Zähnen:
nicht Honig, nicht das tiefe
Eintauchen weichen Bauches
und das Haften der goldrandigen
pollen-bestaubten Beinchen;

blendet Entzücken auch meine Augen,
und kräuselt Hunger auch
meinen Mund dunkel und träge:
nicht Honig, nicht der Süden,
nicht der lange Stengel
roter Zwillingslilien,
noch leichtes Gezweig vom Obstbaum
eingefangen in biegsamem leichtem Gezweig;
nicht Honig, nicht der Süden;

ah, Blüte der purpurnen Lilie,
Blüte der weißen,
oder der Iris, ausdörrend das Gras –
denn ein Fleckchen des Sonnenfeuers
sammelt solche Glut und Kraft,
daß selbst Schattenriß Licht ist,
das durch die Blütenblätter
der gelben Iris fallt;

nicht Iris – altes Sehnen – altes Leiden –
altes Vergessen – alte Pein –
nicht dies, noch überhaupt Blüte,
sondern wenn du dich wieder umwendest,
die Stärke von Arm und Kehle suchst,
berührst wie der Gott;
vergiß den Leierton;
wissend, daß du nirgends am Leibe
ein Beben der Saite
spüren wirst,
sondern Glut, leidenschaftlichere,
des Gebeins und der weißen Schale
und feurig gehärteten Stahls.

Aus: H.D. (Hilda Doolittle): Denken und Schauen : Fragmente der Sappho.
Notizen und Gedichte aus dem Frühwerk, übersetzt und herausgegeben
von Günter Plessow, roughbook 016, Solothurn, Badenweiler und
Berlin, Oktober 2011, S. 113ff

Fragment 113

“Neither honey nor bee for me, ”
—SAPPHO.

Not honey,
not the plunder of the bee
from meadow or sand-flower
or mountain bush;
from winter-flower or shoot
born of the later heat:
not honey, not the sweet
stain on the lips and teeth:
not honey, not the deep
plunge of soft belly
and the clinging of the gold-edged
pollen-dusted feet;

though rapture blind my eyes,
and hunger crisp
dark and inert my mouth,
not honey, not the south,
not the tall stalk
of red twin-lilies,
nor light branch of fruit tree
caught in flexible light branch;
not honey, not the south;

ah flower of purple iris,
flower of white,
or of the iris, withering the grass—
for fleck of the sun’s fire
gathers such heat and power,
that shadow-print is light,
cast through the petals
of the yellow iris flower;

not iris—old desire—old passion—
old forgetfulness—old pain—
not this, nor any flower,
but if you turn again,
seek strength of arm and throat,
touch as the god;
neglect the lyre-note;
knowing that you shall feel,
about the frame,
no trembling of the string
but heat, more passionate
of bone and the white shell
and fiery tempered steel.

Fragment 113 erschien 1921 in Hymen, a Volume of Poems. Die letzte Strophe klingt in Lord Byrons Burning Sappho nach.

3 Comments on “Sappho Fragment

  1. H.D. – Hilda Doolittle – nicht (Huda Doolittle) — ???
    Gruß
    Pedro Meier
    Niederbipp alias Amrain
    am Jurasüdfuss

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