Wir aber grüßen den Frühling

Der tschechische Dichter Otokar Březina wurde am 13. September 1868 in Počátky, Böhmen geboren, er starb am 25. März 1929 in Jaroměřice nad Rokytnou, Südmähren). Zum Geburtstag zwei deutsche Fassungen eines Gedichts

Otokar Březina

Wir aber grüßen den Frühling

Wir aber grüßen den Frühling! Wenn er im Jubel der Wildbäche naht
und in der mütterlichen Regung der Erde, dem Schnellerwerden der Zeit und des Blutes!
Uns haben Winde in den Traum des Ruhmes gewiegt. Schon im berauschenden Atem verronnen,
zittern Rosen und Sonnen, der Rhythmus der Brüste und Lieder!

Und deiner Arbeit Frühling sei uns gegrüßt! Mit uns sind Hunderte
von unsichtbaren Händen am Werk. Ihrer Bewegungen Schatten sind wie das Funkeln des Lichts. –
Und der Insekten Stimmen, das Ticken unsichtbarer Uhren, tönen vom Kleefeld,
als stieße Becher an Becher, strömt der Duft der Kastanienblüten aus den Gemächern.

Wir aber grüßen den Gewitter bringenden Frühling! Und in der Glut seiner Blitze
die Kämpfe der Liebe, den schneeweißen Schein für ein Lächeln, und im Tau des Kristallbads die Stärke zum Leiden!
Denn mit dem Blick der Schönheit hält er die Hand, das Werkzeug zum Freitod, zurück,
und er erlaubt der Seele, vom Wahnsinn erhabenen Heldenmutes zu träumen.

Wir aber grüßen den Frühling als Tausender Frühlinge Stimme! Und hört ihr nicht ihre Antwort,
wie sie von allen Welten erbebt, ein All, das von seinen Hoffnungen singt?
Goldene Schlüsselblumen funkeln auf den azur-lichten Auen, Sterne wie Augen
öffnen sich, und die Ekstase der Liebe stürzte aus ihnen die Tränen der Lichter!

Wir aber grüßen den Frühling, die Knospen feurigen Dufts im Gedenken der Brüder!
In unserm Garten sind Vögel aus allen Gärten zu hören. Und unsere Worte
falln mit dem Schnee der Kirschblüten nieder zur Erde, und im Hochzeitsflug fliegen empor sie
wie eines Bienenvolks Königin, und kehren zurück, um Leben zu schenken.

Wir aber grüßen den Frühling! Katarakt des mystischen Flusses,
wie von Gletschern splittern hinab in die Tiefe Myriaden von Funken, und der Regenbogen ist deine Sonne,
und im wirbelnden Schaum der Jasmine strömt er in eins, und in der Zeitalter Schweigen
wie zwischen Felsen stürzt er zum Meer, von Licht überschwemmt.

Wir aber grüßen den Frühling! Tage wechseln mit Nächten,
Fenster, von Engeln bemalt mit symbolischen Bildern,
ins Unendliche aufgewölbt zu den Ätherbögen deiner Basilika,
wo du die Flammen all deiner Lüster zur Auferstehung entzündest.

Wir aber grüßen den Frühling! heißen die Ungeduld der Seele willkommen!
Und der gekräftigten Flügel Erbeben! Den Mut des erleuchteten Blicks!
Denn Unendlichkeiten warten auf uns, andere, ruhmvollere Frühlinge,
Befreiungen, Lieder, in der Unendlichkeit dröhnend!

(Übersetzt von Uwe Grüning, in: Die Sonnenuhr. Anthologie tschechischer Lyrik. Hg. Kundera, Ludvík. Leipzig: Reclam 1986. (2 Bd.), Teil 3: 1900-1950, S. 35f – Auch in: Ludvík Kundera, Eduard Schreiber (Hrsg.): Süß ist es zu leben. Tschechische Dichtung von den Anfängen bis 1920. München: Deutsche Verlags-Anstalt, 2006 [Tschechische Bibliothek])

WIR GRÜSZEN DEN FRÜHLING
Wir grüßen den Frühling! Nahend im Jauchzen des Wildbachs,
in Mutterregung der Erde, im schleunigern Strömen der Zeit und des Blutes!
Wind wiegte uns ein in Träume vom Ruhm. Verschmolzen im täubenden Odem
erbeben Rosen und Sonne, Rhythmen der Brüste und Lieder!

Wir grüßen den Frühling deines! Werks! Es schaffen unsichtbar
hundert Hände mit uns. Des Lichtes Funkeln ist der Schatten ihrer Gebärde. —
Geheimnisvoller Uhrenschlag, tönen Insektenstimmen vom Kleefeld herüber,
aneinanderklingend wie Becher in den Duftkammern der Kastanienblüten.

Wir grüßen den Frühling, den Gewitterbringer! Er schafft Kämpfe der Liebe
im Blitzbrand, Blendung und Glanz dem Lächeln und Kraft für den Schmerz
im Kristallbad des Taus. Durch den Anblick der Schönheit bannt er selbstmörderische Hände
und läßt die Seele träumen vom erhabnen Wahnsinn der Heroismen.

Wir grüßen den Frühling, Rufer von tausend Frühlingen! Hört ihr ihre Antwort,
durchdröhnend das Weltall, das seine Hoffnungen singt?
Azurne Wiesen, mit Himmelsschlüsseln beglitzert, Sterne wie Augen
öffnen sich weit, Ekstasen der Liebe entströmen ihnen mit den weinenden Lichtern!

Wir grüßen den Frühling, duftige Feuerknospe im Denken der Brüder!
Vogelsang aller Gärten dringt herein in unsern. Und unsere Worte
fallen mit den Flocken blühender Kirschen zurErde und steigen empor
wie Bienenköniginnen zum Hochzeitsflug und kehren wieder, um Leben zu geben!

Wir grüßen den Frühling, Wasserfall des mystischen Stroms,
der niedersprudelt von Gletschern, Funkenmillion, Regenbogen in deiner Sonne,
und im Jasmin des wirbelnden Schaumes zerschmilzt und durch die schweigenden Zeiten
wie durch Felsen zum lichtüberfluteten Meere sich wälzt.

Wir grüßen den Frühling! Siehe, es wechseln Tage und Nächte
wie Fenster, von Engeln mit symbolischen Zeichnungen bemalt,
unendlich zu deines Tempels Ätherwolken gewölbt,
wo du alle Flammen deiner Lüster zur Auferstehung entfacht.

Wir grüßen den Frühling! Ungeduld der Seelen, willkommen!
Erstarkter Schwingen GeschWanke! Mut hellem Blicks!
Unendlichkeiten harren unser, andre, festlichere Lenze,
Der Ewigkeit donnernde Lieder, die Erlösung.

(Deutsch von Otto Pick. In: Jüngste tschechische Lyrik. Eine Anthologie [Die Aktions-Lyrik, Hrsg. Franz Pfemfert]. Berlin-Wilmersdorf: Verlag der Wochenschrift DIE AKTION (Franz Pfemfert), 1916, S. 17f)

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