18. Konvulsionen

Der 1953 geborene Schriftsteller Reinhard Jirgl ist am Mittwoch mit dem Lion-Feuchtwanger-Preis der Berliner Akademie der Künste ausgezeichnet worden. Zitat aus der Laudatio von Roman Bucheli, NZZ 3.10.:

Jirgls Figuren blicken denn fassungslos in eine Vergangenheit, die sich immer unübersichtlicher vor ihnen ausdehnt. Zugleich aber sind Reinhard Jirgls Bücher ein wenig wie das Bild von Paul Klee. Indem es den Sturmwind zeigt und den Engel, den dieser vor sich hertreibt, vollzieht sich im Bild, was dem Engel nicht gelingt: im Sturm innezuhalten. In Reinhard Jirgls Büchern stehen für diese Form des Eingedenkens die vielen Schriftsteller und Künstler sowie alle, die auch und gerade in extremsten Situationen ihre Gegenwart Schrift werden lassen. Das geschieht bei Jirgl nicht wie bei Claude Simon als Apotheose einer Selbstfindung in Gelassenheit, sondern in Konvulsionen (in «Abschied von den Feinden» schreibt einer vor seiner Ausreise in den Westen wie besessen sein Tagebuch voll), es geschieht in Krämpfen, bis zur Selbstaufgabe und nicht selten auch durchaus vergeblich.


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