17. Sephardische Poesie

Vor kurzem [2002] wurde die erste Antologie sephardischer – einer spanisch-jüdischen Sprache – Gedichte den Freunden der Poesie vorgestellt. Der Band enthält in deutscher und türkischer Übersetzung Gedichte von 18 in verschiedenen Ländern lebenden, in der Türkei geborenen Dichtern. Der Titel „Los kaminos s’inchereon de Arena“ („sandbedeckte Wege“) ist einem Lied entnommen, das von den sephardischen Juden in Istanbul gesungen wurde.

Als die sephardischen Juden im Jahr 1492 aus Spanien vertrieben wurden, fanden viele von ihnen Aufnahme im Osmanischen Reich. Ihre Sprache, Spaniolisch, ging eine Verbindung mit der Sprache ihrer neuen Heimat ein, wurde weiterentwickelt und von Generation zu Generation weitergegeben. Heute steht diese Sprache vor dem Aussterben. Der geistige Vater der Antologie, Dr. Robert Schild, der auch Autor bei der jüdischen Wochenzeitung „Salom“ (Istanbul) ist, erklärt dies damit, daß seit dem 19. Jahrhundert die türkischen Juden es zunächst vorzogen, französisch, später vor allem türkisch zu sprechen. / Yasemin Özbek, Istanbul Post 18.5.2002

Hier über die Anthologie (mit dreisprachigen Beispielseiten)

Ein Gedicht aus der Anthologie:

Beki L. Bahar: La Kaye de el Bezo

Die Gasse des Kusses

(Heutzutage ist diese Gasse
die engste in ganz Toledo
dort wo einstens das Judenviertel war)

Gelangst du eines Tages
Nach Toledo
Und kommst durch eine Gasse,
Die “Der Kuß” heißt,
Die Gasse in der
Die Zeit schläft,
Dann erinnere dich, mein Geliebter,
Was vor fünfhundert Jahren war:
Dein Haus meinem Haus gegenüber
Und wie du dich von deinem Fenster
Zu meinem herübergebeugt
Und mir meinen ersten Kuß
Geraubt hast …

(Hier ein Faksimile der Seite Sefardisch, Deutsch und Türkisch)

Hier ein Text eines der Herausgeber:

Bei dieser Anthologie handelt es sich wieder um einen Notfall, wie bei allen bisher erschienenen Büchern unserer Reihe „Am Herzen Europas“: Auch das Sefardische ist vom Aussterben bedroht und das trotz des Jahres der Sprachen 2001.

Wie diese interessante Sprache über unsere Zeit hinaus gerettet werden kann, wissen wir nicht. Diese Anthologie ist der Versuch einiger Engagierter – ein Zeichen der Hoffnung – wie die Übersetzer-Schule von Toledo, 1216 gegründet, wo die verschiedenen Kulturen, Juden, Moslems, Christen, in offener Gesellschaft friedlich zusammenlebten, ihre Texte in die Sprachen der anderen übertrugen, sich einander erklärten und näher kamen.

Gerald Kurdoglu Nitsche, Oktober / Ekim 2001

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