82. Was soll das heißen?

Franz Bauer schickt einen Kommentar zu „H.H.“s Mara-Genschel-Verriß (FAZ 10.4. – L&Poe #80) Schon an die FAZ geschickt? Hier jedenfalls für L&Poe-Leser:

Ein paar Fragen. Was soll das heißen: Weil das „Experiment“ 100 Jahre alt ist, muss man jung sein, um sich daran zu beteiligen? Weil das Gedicht, dass vielleicht H.H. bevorzugt, na nicht 2500 Jahre (man könnte ja kaum den Stift halten!) aber vielleicht bis Grillparzer gerechnet grob 150 ist, muss man noch viel jünger sein um sowas zu schreiben?

„Mara Genschel ist Jahrgang 1982.“ Ich liege wohl nicht falsch wenn ich den Zusammenhang so lese, als solle er andeuten, Mara Genschels Texte wären naiv. Leider wird nicht ausgeführt, worin diese Naivität besteht. Es kann ja nicht so falsch sein, an die (vielleicht nicht immer neuen, aber doch ungewohnten) Verfahrensvorschläge eines Poeten anzuknüpfen, den nicht zuletzt ein Harald Hartung hymnisch gefeiert hat. (Oder doch? Vielleicht versteht nur ein Naiver das nicht und es war etwas Keunersches gemeint: Eine Gewalt, die man nicht besiegen kann, muss man loben?)

Unabhängig davon braucht Mara Genschel solche Trompeter nicht. Sie liest ohnehin Jaap Blonk oder Oswald Egger, informiert sich in Donaueschingen oder widmet sich der Droste-Lektüre. (Ein Bezugspunkt von vielen die H.H. verschweigt.) Naiv ist die Autorin jedenfalls nicht, auch wo sie sich, wie das gerade bei Autorinnen zu Weilen vorkommt so gibt. (Ich mag das auch nicht immer.)

Dann heißt es plötzlich: „Manches klingt nach Jandl, anderes nach Kling.“ Folgerichtig hätte er, (Genau das will er ja im Vortext suggerieren!) fortfahren müssen: „Manches liest sich wie… “ Das wäre zwar schon richtiger, würde freilich immer noch den falschen Eindruck erwecken, Mara Genschels Texte würden sich in toto irgendwie so lesen wie Klings oder Jandls. Das stimmt nicht.

„Oder sind es Rudimente von Gedichten?“ fragt H.H. im Weiteren. Ernstlich? Wer sich mit einem Jahrhundert Experiment beschäftigt hat, dem sollte klar sein, dass das Kriterium der Vollständigkeit, sei es des Werkganzen, sei es der Stileinheit gerade hier problematisch ist. Was will H.H. uns? Anschließend zitiert er ein Bruchstück, das als solches nicht gekennzeichnet ist. Wer die Integrität eines Textkörpers als Wertkriterium in den Raum stellt, wie H.H. das tut, hat sowas dann gefälligst klar zu stellen!

„Eine Tagebuchnotiz typographisch aufgemotzt“ kommentiert er dies Zitat. Die Tagebuchnotiz (lassen wir es mal dahingestellt) könnte man lesen: „glücklich im botanischen Garten gesessen“ aber auch (rustikal typographiert): „GLÜCKL! im Botanischen ge- geSessen.“ Wo sich mehrsinnige Strukturen in der Typographie kreuzen ohne sich zu behindern, wie bei Mara Geschel, sollte nicht von hübscher sondern von gekonnt genauer Typographie die Rede sein. Freilich wenn man sich darauf nicht einlässt, kann man dann auch nicht wissen, wie es klingt. Dass H.H. es auch mit der typographischen Wiedergabe des Gedichtes nicht so genau genommen hat, ist da nur konsequent.

Aber natürlich braucht H.H. diese Nachhilfe gar nicht, denn es heißt wenig später: „Man kann den selbstkritischen Schluß auch umkehren ‚Sprachlich mich/ ums Sachliche gedrückt’“ Das ist ja eigentlich der gegenteilige Vorwurf. Freilich könnte man das dann ebenso gut auch Stramm oder Jandl vorhalten. Ihm passt anscheinend doch die ganze Richtung nicht?

Einen Text findet er immerhin beinahe brauchbar. (Er braucht ihn für den Titel.) Er möchte allerdings zwei Chiffren gestrichen wissen. Man weiß nicht recht, warum. Will er Deutungen abbrechen bevor sie (auch dem Leser) ins allzu Persönliche gehen? Vielleicht liegt aber da gerade Mara Genschels Stärke? Das wäre Geschmackssache. Freilich nur so lange, wie man nicht selbstgewiss sachliche Bezüge einfordert. Was da ist, muss man dann schon nehmen. Oder ist H.H. einfach zu faul mal nachzuschlagen? Nachschlagen kann die Genschellektüre mitunter bereichern.

So bleibt mir nur H.H. mit Numminen zuzurufen „Eckige Klammer Pe Strich Xi Strich En Runde Klammer Xi Strich Runde Klammer Eckige Klammer.“

 

3 Comments on “82. Was soll das heißen?

  1. ist es erst 12:40 ? ich denke schon 13:40 ? jedes jahr dasselbe theater: in welche richtung muß man denn nun die sommeruhr verdrehen…

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  2. Pingback: 127. Rathauslyrik « Lyrikzeitung & Poetry News

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