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Der Abschluss meiner kleinen Zwölf-Nächte-Reihe schlägt noch einmal die Brücke vom 12. zum 20. Jahrhundert. Von der absurden Dichtung anonymer französischer Dichter des Mittelalters zur Absurdität der Breschnewjahre, wie sie sich bei einem jungen ukrainischen Dichter spiegelt, der zu Lebzeiten keine Chance auf Veröffentlichung hatte. (Freilich ist absurd nicht gleich absurd. Während die alten Franzosen, einmal verkürzt ausgedrückt, absurde Scherze pflegten, gibt der junge Ukrainer eine Chronik der Absurdität des Realen.)
Hryhorij Tschubaj
(Григорій Чубай, 1949-1982)
CHRONIK
Ihor Kalynez gewidmet
damals zogen die ganze Nacht statt der Wolken Doppelbetten
über unsere Stadt und es hieß daß gegen morgen
aus ihnen ein Kopekenregen niederfiel
die Gesichter der Uhren waren damals leichenblaß
die Tränen der Minuten fielen immer
gleichmäßiger zu Boden
Unsere Pferde hatten sich im welken Laub versteckt
und mit dem Laub trug sie der Wind davon
als wir unseren Kaffee zu Ende tranken erschien
ein kleiner Taschenmessias und sprach
spielt nicht alle gleichzeitig den Helden ihr ähnelt
sonst denMarktfrauen die die gleiche Ware feilbieten
stellt euch an für das Heldentum
und wartet
solltet ihr jedoch sterben ohne etwas Heldenhaftes
vollbracht zu haben dann war zumindest euer
Anstehen für das Heldentum heldenhaft genug
schließlich schleppte sich eine wahnsinnige Kirche
am Café vorbei die vor Einsamkeit und Leere
den Verstand verloren hatte
1971
Aus dem Ukrainischen von Anna-Halja Horbatsch, aus: Reich mir die steinerne Laute. Ukrainische Lyrik des 20. Jahrhunderts. Reichelsheim: Brodina Verlag, 1996, S. 103
ХРОНІКА
Ігорю Калинцю
тоді всю ніч над нашим містом пливли двоспальні
ліжка замість хмар повідали що з них ран-
ком ішов копійчаний дощ
тоді обличчя годинників були смертельно бліді
і крапали на підлогу сльози хвилин щораз
рівномірніше
заховалися наші коні в буланому листі і
разом із листям їх вітер кудись погнав
а як ми допивали каву то явився нам кишенько-
вий месія й прорік
не будьте героями всі одночасно бо станете
тоді схожими на перекупок що пропонують
один і той самий товар ставайте в чергу
на героїзм і чекайте
а якщо ви так і помрете не звершивши нічо-
го геройського то ж хіба не геройством бу-
ло ваше доброчесне стояння в черзі на геро
Їзм
а ще божевільна церква що збожеволіла од са-
моти й порожнечі повз кавʼярню поволі тоді
брела
Ebd. S. 102
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