Gegen alle organisierten Lügen

Yan Jun

Aus: GEGEN ALLE ORGANISIERTEN LÜGEN

gestern nacht träumte ich von sojasoße. gestern nacht begann ich zu wachsen. gestern nacht ging die wüste weit fort, wie ein seufzen. ich habe die wolken gehört, unterm dachstuhl, während der letzte von den jungen, die weggehen mussten, als man ihre häuser abriss, seine zigarette aufrauchte. weil gestern nacht keine frau weinen wollte, wurde shanghai eine stadt aus holzpferden. weil kein nebel über die brücken kommen wollte, wurde guangzhou ein tablettenhimmel. und in xining gingen die lichter aus, während jemand sein messer versteckte und über eine straße rannte, die mit schaföl bespritzt war. gestern nacht verließ der gott von beijing die stadt.

(…)

zum flohmarkt, unsterbliche und unvergängliche!

gestern warst du ein intellektueller, heute bist du ein dieb, morgen wirst du im schlaf sprechen und ein philosoph sein, geht es darum? geht es darum, dass handys nicht durchkommen, aber flugzeuge problemlos einen zerbrechlichen himmel zerkratzen dürfen? geh raus mit dem rinderteufel, schau dir einen gott an, ein jahr sollte reichen um schweigen zu lernen, um beobachten zu lernen, um zu lernen, wie man in lehmstahlhöhlen wohnt und weint.

(…)

Aus dem Chinesischen von Lea Schneider. In: Yan Jun: internationaler tag der reparatur. hochroth Berlin 2016, S. 7

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