85. Jammerossi und Westschnepfe

Petra Morsbach erzählt in ihrem Roman „Dichterliebe“ die Geschichte der ostdeutschen Lyrik als Tragikomödie eines einstigen DDR-Großkünstlers.

sagt die Badische Zeitung (Martin Halter):

Ein ostdeutscher Lyriker, vom „ehrenwerter Großkünstler einer nicht durch meine Schuld gescheiterten Republik der Träume“ zum erfolglosen Zyniker heruntergekommen, der in einem Künstlerhaus in einem ostfriesischen Kaff mit seinem Schicksal hadert: Wer will so etwas noch lesen? Es wäre schade, wenn Morsbachs Roman so sang- und klanglos unterginge wie Henry Steigers Stern nach der Wende. „Dichterliebe“ ist ein kleines Meisterwerk mit vielen Facetten: Tragikomödie eines Jammerossis, kluge Reflexion der Rolle von Literatur, Kunst und Künstlern in West und Ost und nicht zuletzt eine Liebeserklärung an die Lyrik im Allgemeinen und die der DDR im Besonderen.

Sagen wir mal, ganz frei von Klischees ist die Rezension nicht. Noch ein Pröbchen:

Morsbach ist in fast allem das Gegenteil von Henry: Sie ist Frau, Westdeutsche, schreibt Romane und muss nicht von ihrem Verleger daran erinnert werden, was heute geht („Die Liebe unter DDR-Aspekt! Liebe als einziger Freiraum in den Zwängen der Zone. Das muntere Liebesleben der Ossis, war es nicht legendär?…Kunst, Krise, Diktatur als Nebenthemen … das alles in Verschlingungen“) und was gar nicht: Depressionslyrik von abgewickelten Dissidenten, verbitterten Altgenossen und vergessenen Originalgenies, die sich vom Gnadenbrot der Stipendien ernähren und sich dann noch frech anmaßen, die letzte Bastion gegen Macht, Markt und Massengeschmack, wenn nicht die besseren Menschen zu sein. „Dichterliebe“ zehrt von diesem Spannungsverhältnis, aber ganz fremd ist Morsbach der heroisch weltfremde DDR-Lyriker auch wieder nicht.

(Werd ihn wohl nicht lesen, nehm aber gern Erfahrungsberichte)

Petra Morsbach: Dichterliebe. Roman. Knaus Verlag, München 2013. 287 S., 19,99 Euro. Lesung: Die Autorin liest zum Abschluss von „Haslach liest“ am 28. April um 11 Uhr in der Stadtteilbibliothek Haslach.

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