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Veröffentlicht am 16. Februar 2024 von lyrikzeitung
Friederike Roth
(* 6. April 1948 in Sindelfingen)
Stephen Daedalus macht ein Gedicht
Der Dichter
strömt seine Verse nicht aus wie
der Stadtbrunnen sein Wasser zum Beispiel.
Der Dichter mit bösem Vorbedacht
liest
wie man ein Lexikon liest
und schafft
einen ganzen Vorrat von Worten.
Er sammelt
aus dem Munde der schwer einhergehenden Menschen
für sein Schatzhaus die Worte.
Er wiederholt sie und wiederholt
und vergißt
ihre handgreifliche Bedeutung.
Wiederholend verwandelt er sie
in wundervolle Worte
nur Worte.
Dann geht er
bedachten Schrittes nach Hause
und fügt
seine Worte in Sätze zusammen
mit bedachtem
unermüdlichem Ernst.
Aus: Mein Gedicht ist die Welt. Deutsche Gedichte aus zwei Jahrhunderten. Bd.2: 1912-1980. Hrsg. Wolfgang Weyrauch. Frankfurt/Main, Olten, Wien: Büchergilde Gutenberg, 1982, S. 482
Kategorie: Deutsch, DeutschlandSchlagworte: Friederike Roth, James Joyce
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