Das Archiv der Lyriknachrichten | Seit 2001 | News that stays news
Veröffentlicht am 12. Februar 2024 von lyrikzeitung
Kornelia Koepsell
AUF DIE SOLDATEN WARTENDE
Es gibt Dörfer, an denen die Stille so aufschreit,
daß nichts zu hören ist, selbst das Gespräch der Frauen
am Tor beim Abschied, verstehe ich nicht.
Ich sehe ihre gefrorene Silhouette, ich sehe
das Grün der struppigen Wiese hinter dem Zaun,
sehe die schwarze Tracht und über ihnen
am Himmel einen plumpen Bomber,
wie festgepappt, eine erstarrte Kulisse.
Verständnislos blicke ich auf die Szene, zwei Frauen,
die inne halten, als fehlte der Zeiger der Uhr.
Erst später sah ich, daß sie auch Füße hatten,
echte Füße, und winzige Schuhe dazu.
Die Großmutter erkannte ich plötzlich und Mutter,
weil ich das Haus erkannte, nur darum,
aber den abwesenden Vater begriff ich nicht,
ich biß mein Auge an der weißen Gardine fest.
Aus: manuskripte. Zeitschrift für Literatur 225/2019, S. 85
Kategorie: Deutsch, DeutschlandSchlagworte: Kornelia Koepsell
Kann zu diesem Blog derzeit keine Informationen laden.
Neueste Kommentare