Winterwäldlich

Der US-amerikanische Dichter Robert Frost starb heute vor 61 Jahren in Boston (am 26. März kann man seinen 150. Geburtstag feiern, will they?) Hier eins seiner bekanntesten Gedichte in 3 Gestalten.

Stopping by Woods on a Snowy Evening

Whose woods these are I think I know.
His house is in the village, though;
He will not see me stopping here
To watch his woods fill up with snow.

My little horse must think it queer
To stop without a farmhouse near
Between the woods and frozen lake
The darkest evening of the year.

He gives his harness bells a shake
To ask if there is some mistake.
The only other sound's the sweep
Of easy wind and downy flake.

The woods are lovely, dark, and deep,
But I have promises to keep,
And miles to go before I sleep,
And miles to go before I sleep.

1923
RAST IM WINTERWALD

Der Wald gehört, ich weiß schon wem,
Er wohnt im Dorf, und ungesehn
Halt ich hier an und schau, wie bleich
Die Flocken seinen Wald verwehn.

Doch meinem Pferdchen scheint es kraus,
Zu halten, wo nicht Hof noch Haus,
Im Walde beim gefrornen Teich,
Und dunkel geht der Abend aus.

Geschüttelt seine Schelle klirrt,
Als frage es, wer hier sich irrt,
Kein andrer Laut, nur rieselnd weich
Der Flaum im leichten Winde schwirrt.

Tiefdunkler Wald, so hold verschneit –
Doch mahnt Versprechen mich und Zeit,
Und ist zum Schlaf noch meilenweit,
Zum Schlafe ist noch meilenweit.

Deutsch von Friedhelm Kemp, aus: Lyrik der Welt. Lyrik und Weisheit des Auslandes. Herausgegeben von Reinhard Jaspert, Zeichnungen von Fritz Jaspert. Berlin: Safari-Verlag, 1953, S. 370

Kurze Rast an einem Winterabend

Ich weiß, wes Wald hier weit und breit.
Er wohnt im Dorf wie andre Leut;
Er sieht mich nicht, wie ich hier steh
Und schaue, wie sein Wald zuschneit.

Mein kleines Pferd denkt: sonderbar,
Er hält, wo nie ein Farmhaus war,
So zwischen Wald und starrem See,
Die längste Nacht im ganzen Jahr.

Es schüttelt seine kleinen Glocken,
Als fragte es: Was soll das Stocken?
Der einzige Laut, zu hören rings,
Des Windes Wehen, das Fallen der Flocken.

Wie tief und dunkel ist der Tann,
Doch ein Versprechen treibt mich an,
Noch Meilen, eh ich schlafen kann,
Noch Meilen, eh ich schlafen kann.

Deutsch von Helmut Heinrich, aus: Robert Frost: In Liebe lag ich mit der Welt im Streit. Gedichte. Hrsg./Nachwort Günter Gentsch. Berlin: Volk und Welt, 1973 (Weiße Lyrikreihe), S. 117 (nur einzelne Gedichte in diesem Buch sind zweisprachig abgedruckt, darunter dieses).

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