Leseecke 26

FullSizeRenderLeseecke ist eine Rubrik, die sich langsam, Stück für Stück der digitalen Veröffentlichung aller 154 Sonette Shakespeares in Günter Plessows Übersetzung und dem Originaltext (im Jubiläumsjahr 2016 bei Signaturen) anschließt und hier Leseecke und Forum zur Diskussion über die Sonette und / oder Übersetzungen sein kann. Jedenfalls ich werde an 154 Tagen (mit Zwischenraum, um durchzuschaun) mir jeweils eins der Sonette vornehmen und hier den Originaltext und zusätzliches Material anbieten. Einladung zum Pendeln von Shakespeare zu Plessow und zurück (wenns sein muß auf Umwegen über Schlegel/Tieck, Bodenstedt, George, Kraus & Co). (Die Zahl neben dem Wort Leseecke ist die Nummer des Shakespearesonetts). Zur Originalschreibweise: u / v und i / j sind fast regellos austauschbar, liue lies live, ioy lies joy.
Sonette 22-28 bei Signaturen hier
Bisherige Folgen der Leseecke hier.

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LOrd of my loue, to whome in vassalage
Thy merrit hath my dutie strongly knit;
To thee I send this written ambassage
To witnesse duty, not to shew my wit.
Duty so great, which wit so poore as mine
May make seeme bare, in wanting words to shew it;
But that I hope some good conceipt of thine
In thy soules thought (all naked) will bestow it:
Til whatsoeuer star that guides my mouing,
Points on me gratiously with faire aspect,
And puts apparrell on my tottered louing,
To show me worthy of their sweet respect,
  Then may I dare to boast how I doe loue thee,
  Til then, not show my head where thou maist proue me

Einige Anmerkungen zum Text:

  • vassalage Vasallentum, Knechtschaft
  • 3 ambassage Botschaft
  • 4 „um meine Pflichtschuldigkeit zu bezeugen, nicht um meinen vorzuzeigen“ shew show
  • good conceipt conceit a) gute Meinung von mir b) gutes Konzept (guter Gedanke)
  • 8 all naked bezogen auf it (duty) bestow beherbergen
  • 10 points on me zeigt auf mich, übt Einfluß auf mich aus faire aspect gute Wirkung, Einfluß (der Sterne auf mich)
  • 11 apparrell Kleidung tottered tattered, zerschlissen – der Lord (das Schicksal) schenkt dem Zerlumpten Kleidung (die Livree des Vasallen)
  • 14 maist proue me mayst prove me magst mich auf die Probe stellen

 

Deutsche Fassung von Dorothea Tieck:

Herr meiner Liebe, dessen heil'ge Banden 
Mit königlicher Macht mein Herz umschlingen, 
Dir send' ich diesen schriftlichen Gesandten, 
Um treue Huldigung dir darzubringen.
So große Pflicht kann zwar mein armer Geist 
Nicht, wie sich's ziemt, geschmückt dir übersenden; 
Doch deiner Seele Reichthum macht mich dreist. 
Du selbst wirst huldreich edlen Schmuck ihr spenden.
Vielleicht strahlt bald herab mit holder Gunst 
Ein freundliches Gestirn auf meine Bahn, 
Das meine Liebe schmückt mit reicher Kunst, 
Daß ich kann würdig deinem Blicke nah'n.
  Dann darf ich kühn, wie ich dich liebe, sagen; 
  Jetzt, wo du bist, nicht mich zu zeigen wagen.

Plessow übersetzt den Schlußreim so:

  Dann wag ichs, wie ich liebe, stolz zu preisen;
  noch zeig ichs nicht –– aus Scheu, es zu erweisen.

Quellen

  • Q = Shake-speares Sonnets. Never before imprinted (1609) (Quelle der Originaltexte)
  • B = Benson, Poems: Written by Wil. Sh. (1640)
  • Burrow = W. Shakespeare: The Complete Sonnets and Poems. Ed. Colin Burrow (Oxford World’s Classics), Oxford University Press, 2002
  • B/H = Shakespeare, The Sonnets. Hrsg. Raimund Borgmeier, Michael Hanke. Stuttgart: Reclam, 2006
  • Borgmeier = Shakespeare: The Sonnets. Die Sonette. Engl. u. in ausgewählten deutschen Versübersetzungen. Hrsg. Raimund Borgmeier. Stuttgart: Reclam, 1974

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