Abwärts! 17

Abwärts! Nr. 17. 3. Jahrgang. November 2016. 5 €

Eine Art Sonderausgabe zum Tod, überschrieben mit der Heiner Müller variierenden Zeile: Der Tod bleibt ein Irrtum. Beiträge zum Tod von Norbert „Knofo“ Kröcher (Bert Papenfuß, Knobi, Silka Teichert, Jürgen Schneider), Brigitte Schulz (Annette Gröschner), Klaus M. Rarisch (Robert Wohlleben), Frank Hörnigk (Kristin Schulz).

Robert Wohllebens Nachruf auf Klaus M. Rarisch, der bereits am 20. Juli vorigen Jahres in Berlin im Alter von 80 Jahren starb,  ist überschrieben „5,85 Sonette per annum“ und beginnt so:

Ein unruhiger Geist mußte Ruhe geben. Klaus M. Rarisch war in erster Linie Lyriker, im Lauf der Zeit mehr und mehr bis schließlich einzig auf die Gedichtform Sonett spezialisiert. Seine Gedichte waren oft ebenso kämpferisch scharf in der Diktion wie seine Rezensionen und Stellungnahmen. Zelebritäten wie Heinrich Böll, Günter Grass, Marcel Reich-Ranicki, Wolf Biermann, Ulla Hahn flickte er am Zeuge. Mit dem als Substrat, was Marcel Reich-Ranicki in seinem FAZ-Artikel Das Ende der Gruppe 47über deren Abschiedstreffen in Saulgau schrieb, verfaßte Rarisch die nach Cefalù verlegte Kontrafaktur Das Ende der Mafia — Sizilien 1977, Namen des Personals der Lokalität angepaßt: Giovanni Giudice, Grasso, Gioacchino Imperatore, Federico Radezza, Marcello Ricco-Randellone. Das Ganze im Stil der späten Phantasus-Dichtung von Arme Holz, also mit reichlich Fiorituren. So müssen dem als früherem Treffensort erwähnten Gasthaus „Pulvermühle“ erst noch „Explosivklause“ und „Dynamitbaude“ vorangehen. (Ich machte 1981 nur allzugern — und grinsend — den Meiendorfer Druck Nr. 8 daraus: alle Buchstaben einzeln mit meinen „Signier-Stempeln“ aufs Papier gebracht, klebstoffliche Mittelachsmontage auf einem ausgehängten Stallfenster als Lichttisch.)

Andrerseits ging es ihm darum — ich zitiere mich: –, „mit blanker Schreibmaschine gefährdete Posten literarischer Rechtlichkeit freizukämpfen (zu entsetzen, im militärischen Verstande), — vorzugsweise, wenn Arno Holz tangiert ist“. Die Beziehung zu diesem Dichter begann, als Rarisch — wie er mir erzählte — als Junge beim Durchstreifen Berliner Ruinenkeller auf dessen Gesamtausgabe von 1924/25 stieß. Mithin nur konsequent, daß er später, nach dem Tod der Dichterwitwe, für eine Weile mit der Verwaltung des literarischen Nachlasses von Arno Holz betraut war und dessen ungefüges, zweibändiges Verstheater Die Blechschmiede zu einem Hörspiel kondensierte, von Heinz von Cramer für den Bayerischen Rundfunk inszeniert und von der Akademie der Darstellenden Künste (Frankfurt) als „Hörspiel des Monats“ Oktober 1979 ausgezeichnet. Auch für andre trat er ein: etwa für die ins Exil getriebenen Dadaisten Richard Huelsenbeck und Walter Mehring wie für vergessene Sonettdichter.

Bert Papenfuß versieht sein Gedicht oddech & orewoet, ursprünglich aus dem Konvolut der Rumbalotte-Rockoper (für die sich aus mir unverständlichen Gründen kein Theaterschwein interessiert), mit so poetischen wie philologischen sowie ausgreifenden Kommentaren und Fußnoten mit Bezügen auf polnisch-tschechische, alt-, mittel- und neuniederländische und russische Wörter. Ein Zitat:

Was hat mich an den religiösen Schwärmern der frühen Neuzeit gereizt? Ich habe in ihnen – z.B. Quirinus Kuhlmann (…) – ein Äquivalent zu heutigen (gestrigen) Punks, Autonomen und sonstigen Sozialrebellen gesehen. Mich hat nie ihre Religiosität interessiert, Spiritualität ist mir brenne – sondern ihre Abgefahrenheit. (…) Kuhlmanns Kühlpsalter ist purer Rock’n’Roll.

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