Was aber heißt hier politisch?

Es bedeutet in jedem Fall, dass das Schwarzbuch nicht nur aus abgelehnten Texten besteht.

Das deckt sich mit Kai Pohls Aussage, das Schwarzbuch stelle kein Gegenbuch zum Jahrbuch dar, sondern eher einen „Ergänzungsband“. Ergänzt werden soll vor allem der Bereich der politischen Lyrik. Was aber heißt hier politisch? Hält man den Definitionsrahmen weit, dann wäre das Schreiben von Gedichten überhaupt schon politisch. Einmal in Hinblick auf den geringen Vermarktungswert eines Gedichtes, und dann auch in Bezug auf Bildungspolitik. Gedichte schreiben hieße dann, im weitesten Sinne Spracherziehung betreiben. Hieße, mittels einer zweiten, dritten, x-ten Alphabetisierung (des Autors, des Lesers) durch je verschiedene Texte Sprachkompetenz herzustellen, zu verbessern. Allerdings ergäbe sich mit diesem Blick ein Etikettierungsproblem. Der hypothetische Käufer einer „Anthologie politischer Lyrik“ wäre vermutlich erbost, fände er sich bei der Lektüre zwischen Naturgedichten und Liebeslyrik wieder. Und wenn man den Definitionssattel enger schnallt? Wäre ein Gedicht, das beispielsweise Angela Merkel im Titel trägt, allein deshalb schon ein politisches, weil es eine Politikerin herbei zitiert? Solche „inhaltlichen“ Zuordnungskriterien bergen die Gefahr für reine Schlagwortlyrik, andererseits muss gerade im politischen Bereich manches deutlich benannt werden.

Behält man die Frage im Kopf (wie sehen politische Gedichte aus?), fällt beim Lesen des Schwarzbuchs auf, dass besonders häufig listenartige Texte vorkommen. (…)

Das Schwarzbuch der Lyrik 2016 zeigt sich deutlich politisch – sowohl in der Gestaltung als auch in den Gedichten. / Christiane Kiesow, Signaturen

(Katja Horn, Kai Pohl, Clemens Schittko, Kristin Schulz:) Fünfzigtausend Anschläge. Schwarzbuch der Lyrik 2016. Berlin (Distillery) 2016. 132 Seiten. 16,00 Euro.

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