120. «Deutscher Geist. Ein amerikanischer Traum»

Amerikanische Bezüge fehlen bei Lessing und Lasker-Schüler, aber zugestehen muss man, dass die strikt alphabetische Ordnung der Exponate kuriose Nachbarschaften stiftet: Ein Typoskript Ingeborg Bachmanns kommt neben Walter Benjamins erster Reinschrift der «Berliner Kindheit um 1900» zu liegen; ein Zettelkasten Hans Blumenbergs, der einen Blick auf Einträge zum Stichwort «Amerika» gewährt, steht zwischen Gottfried Benns auf eine Speisekarte getipptem Gedicht «Astern» und Rudolf Borchardts Übertragung eines Poems von Edna St. Vincent Millay. Gerade Borchardt ist ein interessanter Fall, denn der auf Europas Kultur stolze Schriftsteller hatte grosse Lyrik in Amerika für unmöglich gehalten. Millays Gedichte belehrten ihn eines Besseren. / Joachim Güntner, NZZ 26.5.

«Deutscher Geist. Ein amerikanischer Traum». Literaturmuseum der Moderne, Marbach am Neckar. Bis 3. Oktober. Zur Ausstellung ist ein «Marbacher Magazin» erschienen, zweisprachig deutsch/englisch.

(Die von David Wellbery und Ernst Osterkamp kuratierte Ausstellung war eigentlich für Amerikaner gedacht, aber die Finanzkrise durchkreuzte den Plan. Wir sehen alles ein. Gerade mußten wir den armen Banken mit paar hundert Milliarden aufhelfen, worauf die prompt wieder Milliardengewinne machen, indem sie fröhlich weiterzocken, da capo ad finem. Da kann man nicht gleich paar tausend Euro für Lyrik ausgeben – klar doch!)

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