147. Versnetze zwei

Die Anthologien von Axel Kutsch sind seit je Entdeckungsreisen. Sie zieren sich nicht. Da sind keine ausgesuchten Szenerien auf Stellwänden, keine Kulissen, auf denen lyrische Bodybuilder mit einem Zahnpastalächeln vorbeigezogen werden, mit dem Anspruch hier wäre man im richtigen, im garantiert neuen, im sensationell aktuellen Film. Bei Kutsch ist die Lyrik kein Kulissenschieber sondern Landschaft pur. Das ist nicht sortiert nach Alter oder Metropole, nach provozierter Verheißung — und überrascht trotzdem.

Kutsch lädt ein sich umzuschauen und hier wie dort zu genießen. Es ist ja noch nicht verboten Lyrik lesend zu genießen und Gedichte zu mögen, deren Eigenleben Kontakt mit dem Leben anderer hält. Wie belanglos da Begleitattribute wie bspw. das Geburtsdatum werden! Die poetische Spritzigkeit, die man bspw. in den Sprachphiolen des über 80-jährigen Maximilian Zander findet, perlt anhaltender als sie es in manchen gepriesenen post-post-post-modernen Porridges je können wird. Und Kutsch hat Dichter auf dem Plan, die sich einen feuchten Kehricht um die ganze Olympiade, wer denn jetzt das modernste Gedicht veranstaltet, kümmern, sondern einfach nur gute Lyrik schreiben (wie Gerrit Wustmann,  der sie darüber hinaus wunderbar unprätentiös und trotzdem eindrucksvoll zu lesen versteht). Und wer weiß beispielsweise, daß der Annaberger Künstler Jörg Seifert seit Jahren schon beachtliche und manchmal wundervolle Gedichte schreibt. So nebenher.

Wenn man hinschaut, gibt es eine Landschaft aus Landschaften. Kutsch kennt die Gebiete, hat aber auch die weite Sicht: „Versnetze_zwei“ bringt, das sagt der Untertitel, „deutschsprachige Lyrik der Gegenwart“ und zwar auch von Gegenwart, die andernorts fehlt.  Sie geschieht anders, nicht unbedingt im Netz und nicht unbedingt im Buch. Sie geschieht auch im Alter und auch auf dem Land und ist nicht minder gegenwärtig. Es tut sehr gut, diesen Welten einmal im Zu- und Miteinander zu begegnen. Da relativiert sich manches. Und es ist entspannend und aufregend zugleich. Man kann das Buch nur jedem empfehlen, der ein genaueres Bild von der gegenwärtigen Lyriklandschaft gewinnen will, als es die oft gewollt einseitig gezeichneten Grafiken der ansonsten überforderten Feuilletons spiegeln. / Frank Milautzcki, fixpoetry.com

Axel Kutsch (Hrg.): Versnetze_zwei. Deutschsprachige Lyrik der Gegenwart. Verlag Ralf Liebe, Weilerswist 2009.


4 Comments on “147. Versnetze zwei

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  2. „Und Kutsch hat Dichter auf dem Plan, die sich einen feuchten Kehricht um die ganze Olympiade, wer denn jetzt das modernste Gedicht veranstaltet, kümmern,“

    und das ist etwa keine Behauptung?

    Wie lustig das immer wieder ist.
    Da wird behauptet und behauptet, aber kein Gedicht zitiert, warum denn nicht? Sind sie denn so mies?

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  3. Bezogen auf die Anthologie werden in der Rezension lediglich Behauptungen aufgestellt, die aber nirgends mit Zitaten (aus den jeweiligen Gedichten) belegt bzw. untermauert werden. Insofern fällt der Vorwurf, die Lyrikdiskussion(en) der letzten Wochen und Monate bewegten sich lediglich an der Oberfläche, in erster Linie auf den Rezensenten selbst zurück.
    Hinzu kommt, dass der Rezensent selbst als Dichter in der Anthologie vertreten ist. Dass die Besprechung positiv, ja lobpreisend ausfällt und nichts weiter als ein netter kleiner Werbetext für etwas ist, das ohnehin niemand liest, macht diesen Umstand nur noch anrüchiger.

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    • Daß es „nichts weiter als ein netter kleiner Werbetext“ sei und daß das Buch „ohnehin niemand liest“, sind aber auch nur Behauptungen. Immerhin nennt Milautzcki 3 Namen – zumindest sollte man dann nachsehen, um ggf. gegenhalten zu können: „die Gedichte von X oder Y finde ich gar nicht „gut“ oder „wundervoll“, sondern… Das wäre eine konkrete Antwort auf eine konkrete Aussage. So aber ist der Einwurf nichts als eine Unmutsäußerung.

      Daß das „ohnehin niemand liest“, ist überdies eine widerlegbare Behauptung. Da können Sie nur für sich selber und vielleicht noch Ihre Freunde sprechen. Kutschs Anthologien sind jedenfalls scheuklappenfrei und kennen weder Alters- noch Orts- noch Cliquengrenzen. Daß in Anthologien nicht nur gute und großartige Gedichte versammelt sind, ist das Wesen der Gattung Anthologie – sonst kommt nur Best-of-Käse heraus, den niemand braucht (der dafür regelmäßig die knappen Lyrikregale der Buchhandlungen verstopft). Kutschs Anthologien sind brauchbare Bücher, vielseitige und materialreiche Bücher. Ich mag nicht auf sie verzichten, und auch Sie könnten sie benutzen. Zum Beispiel, um Argumente zu sammeln, welche Gedichte Ihnen persönlich gefallen und welche nicht und warum nicht. Dann gern mit Textstellen.

      Frank Milautzcki ist ein Autor, der nachweislich kluge Aufsätze schreiben kann, und nicht nur über Bücher, in denen er selber drin ist. Auch das also eine widerlegbare Behauptung. Haben Sie seinen Essay über Gegenwartslyrik auf fixpoetry.com gelesen? Ein anregender, kluger Text, über den, auch gegen den man viel sagen kann, manches aber nicht: daß er nur nett und klein ist. Daß er nur über Milautzcki und seine Freunde spricht. Daß er nur Behauptungen aufstellt. Sich nur an der Oberfläche aufhält. Usw.
      Ich zeichne mit meinem Namen: Michael Gratz

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