114. Gespräch mit Kathrin Schmidt

Die Schriftstellerin Kathrin Schmidt erhält in diesem Jahr den mit 10.000 Euro dotierten „Preis der SWR-Bestenliste“. Sie wird ausgezeichnet für ihren Roman „Du stirbst nicht“, der im Mai, Juli/August und September auf der SWR-Bestenliste stand. / Pressemitteilung

Walter Fabian Schmid sprach für den Poetenladen mit der Autorin über Prosa und Lyrik. Auszug:

W. F. Schmid: Braucht man diese Abstraktion, aber auch Reduktion und Sprachkompension der Lyrik als Ausgleich zur Prosa, wo man mehr vermittelnd arbeiten muss?

K. Schmidt: Für die Zeit vor dem Sprachverlust muss ich schon sagen, dass es so gewesen ist. In den letzten Jahren hat sich das aber nicht so gezeigt. Ich hatte zwar immer große Lust auf Gedichte, aber ich wusste, dass ich das nicht kann. Während ich vorher die Wörter vom Baum pflücken konnte, so muss ich sie jetzt suchen. Das ist ein anderes Schreiben, als es vorher war. Obwohl der Gedichtband, den ich vorletztes Jahr im Herbst begonnen habe, fertig ist und im nächs­ten Frühjahr erscheinen wird, weiß ich noch nicht so genau, wie das weiter geht und wie das ausgeht. Für mich ist eine völlig neue Schreibsituation entstanden. Das finde ich aber ganz spannend.

W. F. Schmid: Über die zukünftigen Gedichte weiß ich natürlich nichts. Aber wenn ich mir die bisherigen Gedichte anschaue, dann sind die ziemlich streng gebaut – sie arbeiten beispielsweise auch viel mit Daktylen. Würden Sie sagen, Sie brauchen diese Formstrenge? Gibt sie den Gedichten ein Rückgrat?

K. Schmidt: Es ist mit Sicherheit so. Ich nehme mir die Formstrenge aber nicht bewusst vor. Ich setze mich nicht hin und sage: „Ich will im Daktylus schreiben.“ Das ist eine Art, die aus dem ­Sprechen kommt. Ein Gedicht ist immer auch ein tönendes, ein rhythmisches Gebilde. Was mir bei dem einzelnen Gedicht dann erst auffällt, wenn ich es lese und wenn ich es klanglich im Ohr habe. Wenn ich das Gedicht fertig einschätze, dann ist es sicher so, dass die strenge Form ein starkes Rückgrat, ja, das Grundgerüst ist für ein Gedicht.


W. F. Schmid: Würden Sie sagen, dass es der derzeitigen Lyrik an diesem Rückgrat, an Formbewusstsein fehlt?

K. Schmidt: Ich fühle mich nicht kompetent genug, das zu bewerten, weil ich noch dabei bin, mir die Lyrik der letzten Jahre zurück zu erobern. Darauf wäre ich aber nicht gekommen, dass es der jungen Lyrik an Formstrenge fehlt. Es ist jedoch ganz sicher so, dass mir beispielsweise Gedichte von Anja Nioduschewski vom Textrhythmus her viel näher sind als Texte von Katrin Marie Merten, die ich keinesfalls für schlechter halte! Das hat auch mit dem Rhythmus und mit dem Metrum zu tun.

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