Bernhard (nicht mehr) in Kuba

Zehn Monate hat es gedauert, bis er aus Kuba ausreisen durfte – jetzt kann er nicht mehr zurück: der aus Havanna stammende Autor Carlos A. Aguilera (geb. 1970), der nun in der Kulturhauptstadt Graz als „Writer in Residence“ zumindest bis März 2004 Zuflucht gefunden hat. Der Lyriker und Essayist hat in Havanna die – heute nicht mehr existierende – kritische Literaturzeitschrift „Diaspora(s)“ herausgegeben – und darin den Kubanern u. a. Texte von Thomas Bernhard vorgestellt.
1997 hat Aguilera mit vier Freunden die Untergrund-Zeitschrift gegründet, in der Literaten und Intellektuelle, die sich nicht in den Dienst der staatlichen Schriftsteller- und Künstlervereinigung UNEAC stellen wollten, publizieren konnten. „Wir haben über die Situation in Kuba nachgedacht und Literatur, die man in Kuba nicht bekommt, übersetzt und darüber kritisch reflektiert“, so der heute 33-Jährige.
Aguilera nimmt in seinen Essays immer wieder auf Elias Canetti, Primo Levi, Victor Klemperer oder Joseph Brodsky Bezug. Diese Autoren wurden von dem Schriftstellerzirkel für die „Diaspora(s)“ in Auszügen übersetzt. Und neben Texten von Franz Kafka oder Milan Kundera und Schriften von Kulturphilosophen wie Gilles Deleuze und Felix Guttari fanden sich auch immer wieder Texte von Thomas Bernhard. Insbesondere imponiere ihn die kritische Haltung Bernhards gegenüber totalitären Regierungsformen: „Wenn man in Bernhards Texten anstatt ,Österreich‘ das Wort ,Kuba‘ einsetzt, dann gibt das exakt die Situation in Kuba wieder.“ / Wiener Zeitung 22.7.03

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