Rumi – 750. Todestag des persischen Mystikers und Dichters

Heute vor 750 Jahren starb der islamische Mystiker und Dichter Dschalal ad-Din Rumi, der im Westen meist kurz Rumi genannt wird, im Persischen Maulawī und im Türkischen Mevlevi. Geboren wurde er nach der Überlieferung am 30. September 1207 in Balch im heutigen Afghanistan (oder in Wachsch, heute in Tadschikistan). Gestorben ist er am 17. Dezember 1273 in Konya in der heutigen Türkei.

Rumis Grab in Konya wird täglich von vielen Verehrern und Touristen besucht. Lesen können ihn die wenigsten, weil er auf Persisch schrieb.

Fotos: Gratz

Zum Anlass werde ich in den nächsten Tagen einen kleinen Rumi-Block veröffentlichen. Heute ein Gedicht aus seinem Diwan in der deutschen Fassung von Johann Christoph Bürgel, gefolgt von einem Kommentar des Herausgebers und Übersetzers.

Ist keine Flut gekommen, doch wurden wir benetzt;
Fuß lief in keine Schlinge und liegt in Fesseln jetzt.
Wir tranken keinen Tropfen und wurden doch berauscht,
wir sahen nie ein Schachbrett, und sind doch mattgesetzt.
Wir sahen nie ein Schlachtfeld und doch, wie sich im Wind
die schönen Locken lösen, sind wir versprengt, zerfetzt.
Wir sind ein Schatten jenes Idoles, ja mich dünkt,
daß uns das Bild von Götzen seit Urbeginn ergötzt.
Der Schatten scheint zu wesen und west und währt doch nicht.
So sind auch wir ein Nichts nur, den Schatten gleich geschätzt.

Diese Verse sind ein typisches Beispiel für das bei allen Mystikern so beliebte Reden in Paradoxen: Der Mystiker ertrinkt in einer Flut, die nicht die des Meeres ist, er fällt ohne Schlingen in die Fesseln mystischer Liebe, der himmlische Schachspieler setzt ihn matt ohne ein Schachbrett. Der Vergleich mit den Locken entstammt der Liebespoesie: Die Krümmungen und Brüche der Haare der Geliebten krümmen und zerbrechen, schlimmer als jede Waffe, den Liebenden. Der Liebende wie der Mystiker ist vernarrt in das schöne Idol. Beide sind Götzenanbeter in dem Sinn, daß sie in der irdischen Erscheinung das Göttliche erkennen und verehren. Das Idol verhält sich zu Gott wie der Liebende zum Idol. Das ist ein Stück neuplatonischer Hierarchie des Seins. Der Schatten, der schwindet, kehrt ins Licht zurück. Am Ende der Abbildverehrung steht die Verschmelzung mit dem Urbild.

Johann Christoph Bürgel, in: Rumi, Gedichte aus dem Diwan. Ausgewählt, aus dem Persischen übertragen und erläutert von Johann Christoph Bürgel. München: C.H. Beck, 2003, S. 65.

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