Nachtruf

Conny Hannes Meyer

(Geboren 1931, österreichischer Schriftsteller)

NACHTRUF

so bist du mein bleichendes kind nun 
wo über die treppen das blut rinnt 
wo finsterer rauch in die nacht steigt 
der mond hinter stacheldraht frierend versinkt 
in den gierigen wellen der zeit
dort türmen sie auf unsre haare die waren 
der stolz der uralten verdammten nation
dort gehst du ein träumender sklave im schlaf 
durch den buchenwald meines gebeins 
sie schlachteten all deine schwestern dahin 
auf den steinigen feldwegen sanken sie nieder
die brüder sie wurden zu asche wie ich –
wann nur wann sehn wir uns wieder

Aus: Welch Wort in die Kälte gerufen. Die Judenverfolgung des Dritten Reiches im deutschen Gedicht. Hrsg. Heinz Seydel. Berlin: Verlag der Nation, 1968, S. 356

Mehr siehe Lyrikwiki https://lyrikwiki.de/mediawiki/index.php/Kategorie:Meyer,_Conny_Hannes

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