144. „Schräger Vogel“, Pädophiler

Peter Altenberg (1859–1919) gilt als der schrägste Vogel der Wiener Moderne. Während seine genialischen Prosaskizzen in ihrer Lebensdichte noch heute bezaubern, wirkt seine obsessive Verehrung «süsser» Kindfrauen befremdlicher denn je. Heutzutage müsste sich Altenberg wohl wegen Pädophilie verantworten. …

Mag Karl Kraus auch manch allzu Anstössiges weggelassen haben, ein Skandalon bleibt dieser «Frauenlob» («ich bin nichts anderes als Gottes Aufbewahrungsort für alle verkümmerten und zerstörten Frauenseelen») auch in dieser Auswahl, zumal für den heutigen Leser. Denn häufiger als Frauen galten seine Minnegesänge minderjährigen Mädchen. Die schamlose Begeisterung, mit der Altenberg in seinen Skizzen und Briefen seiner Pädophilie freien Lauf lässt und stolz berichtet, wie er eine auf seinem Schoss sitzende Siebenjährige auf den Mund geküsst habe, verschlägt einem schlicht die Sprache.

So spottet er auch in der Kraus-Ausgabe über die damals gültigen (und verblüffend grosszügigen) Bestimmungen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen: «Eine Frau ist immer zu alt und nie zu jung! Das Gesetz schreibt uns vor: von vierzehn an! Aber das Gesetz ist nicht von Künstlern entworfen. Unser Geschmack sagt: In jedem Alter, wenn du nur sehr schön bist! Freilich heisst es da, wie in der Bibel: <Er hatte ein Auge auf sie geworfen!> Aber wirklich nur das Auge, dieses ideale Lustorgan.» / Oliver Pfohlmann, NZZ 20.2.

Peter Altenberg: Die Selbsterfindung eines Dichters. Briefe und Dokumente 1892–1896. Hg. und mit einem Nachwort von Leo A. Lensing. Wallstein-Verlag, Göttingen 2009. 210 S., Fr. 39.40. Peter Altenberg: Das Buch der Bücher. Zusammengestellt von Karl Kraus. Hg. v. Rainer Gerlach. Mit einem Essay von Wilhelm Genazino. Drei Bände. Wallstein-Verlag, Göttingen 2009. 1006 S., Fr. 83.–.

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