Lorca 3

Federico García Lorca
(* 5. Juni 1898 in Fuente Vaqueros, Provinz Granada; † 18. August 1936 auf dem Weg von Viznar nach Alfacar, Provinz Granada)

1910
(Zwischenspiel)

Meine Augen von damals, neunzehnhundertzehn,
sahen nicht, wie die Toten begraben wurden,
sahen nicht das Aschefest des Mannes, der den Morgen beweint,
nicht das Herz, das im Winkel liegt und wie ein Seepferdchen zittert.

Meine Augen von damals, neunzehnhundertzehn,
sahen die weiße Wand, wo die Mädchen Wasser ließen,
das Maul des Stiers, den giftigen Pilz
und unfaßbaren Mondschein in den Winkeln
auf den trockenen Zitronenstücken unterm harten Schwarz der Flaschen.

Meine Augen von damals auf dem Hals des kleinen Pferdes,
auf dem durchbohrten Busen von Rosa, der schlafenden Heiligen,
auf den Dächern der Liebe, mit Seufzern und kühlen Händen,
in einem Garten, wo die Katzen Frösche fraßen.

Eine Rumpelkammer, wo alter Staub Moos und Statuen versammelt.
Truhen voll mit dem Schweigen aufgefressener Krebse.
Dort, wo der Traum auf seine Wirklichkeit prallte.
Dort meine kleinen Augen.

Bitte keine Fragen. Ich habe die Dinge gesehen:
Sie suchen ihre Linie, doch sie finden ihre Leere.
Lücken liegen schmerzend in der menschenleeren Luft
und in meinen Augen Kleiderwesen – ohne Körper!

New York, August 1929

Übersetzung: Martin von Koppenfels

Aus:
Federico García Lorca: Dichter in New York. Poeta en Nueva York. Gedichte. Spanisch und deutsch. Übersetzt und mit einem Nachwort von Martin von Koppenfels. Berlin: Suhrkamp 2019.

Mit freundlicher Genehmigung des Suhrkamp Verlags.

1910

(Intermedio)

Aquellos ojos míos de mil novecientos diez
no vieron enterrar a los muertos,
ni la feria de ceniza del que llora por la madrugada,
ni el corazón que tiembla arrinconado como un caballito de mar.

Aquellos ojos míos de mil novecientos diez
vieron la blanca pared donde orinaban las niñas,
el hocico del toro, la seta venenosa
y una luna incomprensible que iluminaba por los rincones
los pedazos de limón seco bajo el negro duro de las botellas.

Aquellos ojos míos en el cuello de la jaca,
en el seno traspasado de Santa Rosa dormida,
en los tejados del amor, con gemidos y frescas manos,
en un jardín donde los gatos se comían a las ranas.

Desván donde el polvo viejo congrega estatuas y musgos.
Cajas que guardan silencio de cangrejos devorados.
En el sitio donde el sueño tropezaba con su realidad.
Allí mis pequeños ojos.

No preguntarme nada. He visto que las cosas
cuando buscan su curso encuentran su vacío.
Hay un dolor de huecos por el aire sin gente
y en mis ojos criaturas vestidas ¡sin desnudo!

Nueva York, agosto de 1929

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