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Veröffentlicht am 21. Januar 2020 von lyrikzeitung
Ludwig Meidner
Aus: Mondsichelgesang
Der Maurer braucht die Backsteine und der Dichter die trillernden Vokale. Auf großen, weißen Zetteln habe ich mir meine Backsteine angehäuft. Das Lexikon lieh mir seine Wortfülle. Nun wühl ich blindlings in den Worten. Ich nehme sie in den Mund und sie kriegen einen wunderbaren Sinn. Ich halte sie heiß in meinen Händen. Sie schütteln den Schlaf ab, strahlen neu und unerhört.
Man muß alle Gedanken verscheuchen, wenn man dichtet. Greif nach der Stubendecke. Zieh die Schublade deines inneren Wesens auf. Von da kommen deine Wunder.
Du mußt sie auch aus den Hosentaschen herausholen, aus den Schnurrbarthaaren reißen, von deiner Glatze herunterkratzen.
O, meine gebenedeiten Eingebungen in dieser Nacht. Und ihr zahllosen, fortrollenden Nächte mit fiebernder Wortmusik und ganz unirdischer Leichtigkeit des Leibes.
Ach, ich werfe mich berauscht in meine zottige Dichterbrust, wenn ich dichte. Ich bin großmütig, wenn ich dichte, und lächle immer nachsichtig und gütig zu meinen lieben Brüdern hinüber. —
In: Die Erhebung. Jahrbuch für neue Dichtung und Wertung. Hrsg. Alfred Wolfenstein. Berlin: S. Fischer, 1919 (5.-7. Tsd.), S. 189 (Mehr)
Kategorie: Deutsch, DeutschlandSchlagworte: Ludwig Rubiner
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