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Veröffentlicht am 24. Mai 2018 von lyrikzeitung
Sándor Weöres
( * 22. Juni 1913 in Szombathely; † 22. Januar 1989 in Budapest)
Besuch des Einhorns
Zierlichen Schritts betritt ein Tier den Raum,
durchschwimmt die dichte Masse meiner Möbel,
durchsichtig ist sein Leib wie zarter Nebel,
sein blauer Huf berührt den Boden kaum.
Sein Atem streift mein Kissen, mein Gesicht,
sein Auge scheint in meinem Blick zu lesen,
fremd sind die Angst, das Mitleid seinem Wesen,
denn Leben oder Sterben kennt es nicht.
Der Mondstrahl, den sein spitzer Tritt zerfranst,
ist neben ihm wie grober Staub. Du kannst
des Raums lebend’ge Sehnsucht an ihm messen.
Und unfruchtbar wie körperlose Lust,
gleichmütig, seiner Schönheit nicht bewußt,
huscht es dahin ins Mondlicht, ins Vergessen.
Übertr. von Annemarie Bostroem
Annemarie Bostroem (* 24. Mai 1922 in Leipzig; † 9. September 2015 in Berlin)
Aus: Sándor Weöres: Poesiealbum 135 / Ausw. dieses H.: Paul Kárpáti. Übertr. von Annemarie Bostroem, Heinz Kahlau, Bert Papenfuß, Richard Pietraß, Brigitte Struzyk. Berlin : Verlag Neues Leben, 1978
Kategorie: Ungarisch, UngarnSchlagworte: Sándor Weöres
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