Tzvetan Todorov †

Der französische Philosoph und Essayist Tzvetan Todorov starb am Dienstag in Paris im Alter von 77 Jahren. Er hat sich als Sprachwissenschafter einen Namen gemacht, publizierte aber auch zu gesellschaftspolitischen Themen.

Von den Debatten des russischen Formalismus und dessen Kritik durch Bachtin geprägt und ausgehend, widmet sich Todorov ganz dem Problem, ob und wie sich ein literarisches Werk verstehen lässt, ohne es dabei «fremden» Diskursen, also soziologischen oder psychologischen Paradigmen, zu unterwerfen. Die Lösung findet er in den Beziehungen, die ein Text zwischen den ihn konstituierenden Elementen stiftet. Denn diese sind eben nicht beliebig, sondern folgen den Prinzipien der Auswahl und Kombination.

Zur Aufgabe der Literaturwissenschaft wird es, das Verhältnis zwischen den ergriffenen und verworfenen literarischen Optionen zu verstehen. Oder, wie Todorov es in seinem Aufsatz «Poetik» formuliert: Literaturwissenschaft befasst sich «nicht mehr mit der wirklichen Literatur, sondern mit der möglichen».
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Die Verteidigung der Aufklärung gegen die sie zersetzenden, stets aber auch von ihr selbst hervorgebrachten Kräfte blieb ihm bis zum Ende ein Anliegen: Das noch unübersetzte «Les Ennemis intimes de la démocratie» (2012) ist eine unabdingbare Diagnose unserer Lage – und des politischen Messianismus, der sie zunehmend zu bestimmen scheint. In der Nacht auf Dienstag ist Tzvetan Todorov im Alter von 77 Jahren in Paris verstorben. /
Philipp Theisohn, NZZ

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