Himmel über Damaskus

„Ein fehlendes Stück am Himmel über Damaskus“: unter diese Überschrift hat [der syrische Schriftsteller und Dichter Ra’id] Wahsh seine Selbstmitteilung aus dem syrischen Krieg gestellt. Reale Beobachtungen sind der Kern des Werks. Immer wieder spinnt der Autor tatsächliches Geschehen in phantastischen Allegorien weiter. Aus dieser ungewöhnlichen Vermischung von Realität und Fiktion scheint man eine ungläubige Frage herauszuhören: „Passiert das hier gerade wirklich?“ Vom arabischen Original gibt es bislang keine Übersetzung. Der schmale Band sollte allerdings unsere Beachtung finden.

Wenn der Ich-Erzähler auf allen Vieren über den Damaszener Boden kriecht, findet er zwar seinen Personalausweis nicht. Er führt den Leser aber zu einer erschreckenden Frage: sind wir noch Menschen? In Syrien steht nicht nur zur Debatte, wie Bürger noch einem Staat zugehörig sein können, der seine eigenen Städte bombardiert und damit an seinem eigenen Verfall arbeitet. Wahsh zeichnet das Bild eines evolutionären Rückwärtslaufs. Zwischen Trümmern und Straßensperren sinken die Menschen von ihrer Evolutionsstufe herab, beugen sich und entwickeln sich zurück zum Tier. Die Milizionäre des Regimes „bellen“ an Checkpoints und bei Hausdurchsuchungen. Der Erzähler selbst „heult wie ein Wolf“ in der Morgendämmerung gegen das Artilleriefeuer an. Ein Stück Käse der Billigmarke „La Vache qui rit“ gibt ihm Hoffnung. Er verschlingt es und phantasiert, „sich in eine Herde lachender Kühe zu verwandeln“. / qantara.de

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