Loosely Spiritual American Poetry

Loosely Spiritual American Poetry
vs. tensely materialistic british poetry
vs. tireless love poetry of eager administrators
vs. tiring political poetry of nomadic herdsmen
(…)
vs. poetry evocative yes but of what

Auszug aus einem Gedicht von Sam Riviere, das im Original und in Ron Winklers Übersetzung im Heft 9 der Zeitschrift Mütze steht.

Ich habe nicht vor, die explizite Poetologie des Gedichts zu erörtern. Was für sich spricht muß man ja nicht totreden. Es gefällt mir (das neue Heft der Mütze ist, wie alle zuvor, eine Wucht), und bei diesem Gedicht mußte ich sofort an die zumindest im virtuellen Raum ohne Unterbrechung (das ist keine Metapher, sag ich als jemand, der öfter spät nachts noch mitliest und manchmal mitredet) sich ereigende Lyrikdebatte denken. Wie oft findet man da (auf mehr als einer Seite) ein Denken in Binäroppositionen.* Man redet und denkt (oder es redet und denkt in uns), als gäbe es nur zwei Arten von Lyrik, zum Beispiel authentische vs. gekünstelte, akademische vs. Realpoesie, experimentelle vs. normale, moderne vs. traditionelle, gereimte vs. reimlose, sentimentalische vs. naive, elitäre vs. volkstümliche, eigene vs. fremde… Und vergißt dabei, daß das nur Denkfiguren sind, außerhalb ihres Rahmens ohne Wert.

Wie großartig wären Debatten, deren Teilnehmer sich vor jeder Verwendung eines Begriffs die Frage vorgelegt haben, in welcher Opposition sie da gerade denken! Wie spannend, wie „ergebnisoffen“, wenn sie manchmal ihrer Aussage hinzufügten: okay, das fiel mir grade so ein, aber vergessen wir nicht, es gibt mehr als zwei Seiten! Es gibt da noch die „impoverished poetry of the fully funded“, die „poetry that has not been written“ und … und …

*) Wär ich im Seminar (Entzugserscheinungen?), würde ich auf den Aufsatz von Erika Greber über Binäroppositionen hinweisen. Bosse/Renner: Literaturwissenschaft: Einführung in ein Sprachspiel. Rombach Druck- und Verlagshaus (1999). Ihr Beitrag beginnt mit dieser „Gebrauchsanleitung zum wissenschaftlichen Sprachspiel »Oppositionen«:

Opponieren Sie … lesen Sie die Einleitung erst zum Schluß … machen Sie die Mitte zum Rand … und gehen Sie mit durch dick und dünn …“

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