95. Raum für Dichtung

Auch Falkner ist gut. Aber der Markt ist nicht da. Es gibt in Deutschland eine Lyrikphobie. Gute Fotos hingegen schaut sich jeder gerne an. Sie sind meistens leichter zu verstehen als gute Gedichte.

Gerhard Falkner veröffentlichte mit Anfang zwanzig seinen ersten Gedichtband, schrieb Essays, Prosa Theaterstücke, arbeitete als Übersetzer für englischsprachige Literatur. Er wurde mit Preisen und Stipendien überhäuft, es gibt Universitäten, an denen man Seminare zu seinem Werk belegen kann. Einem breiten Publikum ist er aber nicht bekannt. In diesem Jahr sieht es jedoch so aus, als gewinne Falkners Karriere an Tempo. Im Januar war er zu Gast in der Literatursendung „Druckfrisch“ von Denis Scheck, um über seinen Gedichtzyklus „Pergamon Poems“ zu reden. Auf Youtube kann man sich das noch angucken. Falkner steht vor dem Pergamonaltar in Berlin, ein kleiner, grauhaariger Mann mit sehr korrekt gestutztem Kinnbart, schwarzrandiger Brille, schwarzem Jackett und Strickjacke. Er lächelt und sagt kluge Dinge über Dichtung und Fries, während hinter ihm Museumsbesucher langgehen und neugierig gucken. Erst in die Kamera, dann auf Falkner, bei sehr bekannten Leuten ist es ja meistens umgekehrt. Der Auftritt muss Falkner Nerven gekostet haben. Während er Scheck antwortet, kneten seine Hände auf irgendetwas herum. „Ich würde dringend dafür plädieren, die Arena wieder größer werden zu lassen“, sagt Falkner zu Scheck. Er meint damit den Raum, dem Dichtung zugestanden wird. Scheck ist da aber schon im Begriff, seine Arena für Falkner wieder zu schließen. Er lobt Falkners Buch. Nach sieben Minuten ist der Beitrag vorbei. / Karen Krüger, FAZ

4 Comments on “95. Raum für Dichtung

  1. Und er schreibt mit Sicherheit keine „staatstragenden“ Gedichte.
    Trotzdem gut, dass ein Dichter mal prominent in der FAZ vorkommt.
    Wenn auch die Reporterin nicht die Strahlkraft Falkners verstanden hat.

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  2. Guter Artikel, ja; gelassen und offenen Auges. Trotz der kleinen Kleinmachungen.
    »Vielleicht hat er gerade keine Lust zu reden.« [Vielleicht hatte er einfach keine Lust, sein Er- oder Innenleben der Presse zu diktieren.]
    »Schwer zu sagen, ob er die hellgrauen Chucks auch im Museum anhatte.« [Je nun?]
    »Während er Scheck antwortet, kneten seine Hände auf irgendetwas herum.« [Okay, das Menschliche. Darauf zu achten lernt man an Journalistenakademien. Aber verzerrt den Blick auf einen eigentlich souveränen, fast zu souveränen Auftritt.]
    Ein kleiner Mann ist dieser Falkner ebenso nicht.

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