89. Richard Wagner über Pastior

Richard Wagner im Gespräch mit Katrin Heise, DLR:

Heise: Herta Müller äußerte sich am Samstag in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ darüber, dass sie, dass ihr auch wieder so klar geworden ist, was er erlebt hat und war für einen Druck in ihm war – nur so kann sie sich sein Schweigen erklären, das heißt, man wird einem doch wieder so vor Augen geführt, welche Trauer, welches Leid so ein Terrorregime über die Bürger …

Wagner: Ja, das ist, vor allem ist das ein deutliches Ergebnis, wenn man so verharmlosend über die Diktatur in Osteuropa spricht gerne, dass man das übersieht, was an den Menschen hier gemacht wurde, was moralisch da zerbrochen ist und wie die Menschen kaputtgemacht worden sind, von diesem System, das ist wahr. Auf der anderen Seite muss man auch sagen, das Verhalten der Menschen – und es ist ja nicht nur das Regime, sondern es ist Teil zwei der Problematik das Verhalten des Einzelnen innerhalb der Situation. Und da muss man auch sagen, auch um gerecht zu bleiben, dass es auch Leute gab, die den Widerstand und den Mut hatten, Nein zu sagen, und die darüber auch sprachen. Ich habe Freunde, die man anwerben wollte, die zu mir gekommen sind und gesagt haben, man wollte mich anwerben, wir haben dieses Problem gelöst schon damals in der Diktatur, also es gab alles Mögliche. Und ich bin dagegen, dass man so Sonderkonditionen schafft für Leute, dass man dann versucht sie zu erklären. Das ist richtig sie zu erklären, aber nicht zu rechtfertigen.

Heise: Hat sich Ihr Bild von Oskar Pastior verändert?

Wagner: Nein, also ich schätzte ihn immer für seine verrückte Lyrik, und es ist ja so, das ist vielleicht auch eine Frage der Bewertung letzten Endes, eine solche Lyrik hat Bestand jenseits der moralischen Frage.

Heise: Im Deutschlandradio Kultur ist der Schriftsteller Richard Wagner zu Gast. Anlass ist die Enthüllung oder die jetzt bekannt gewordene Enthüllung, der Schriftsteller Oskar Pastior war Securitatespitzel. Sie, Herr Wagner, gehörten in Rumänien – ich habe gesagt, Sie reisten 87 aus – Sie gehörten einem oppositionellen Kreis der Aktionsgruppe Banat an, und aus diesem Kreis, Sie haben es auch schon erwähnt, gab es Enttarnungen in den letzten Jahren. Letztes Jahr zum Beispiel der Lyriker Werner Söllner. Wie weit geht Verständnis, wenn es einem so nahe kommt?

Wagner: Ja, also die Sache ist nun mal so, man muss etwas klarstellen, zwischen Pastior und Söllner sind Welten, da ist ein ganz großer Unterschied. Also bei Söllner ist nachweisbar in der Akte gewesen, dass er Gedichte von uns, die ich ihm geschickt hatte zur Publikation, dass er die zur Securitate gebracht hat, übersetzt hat und interpretiert hat. Und das hat zu einer Verschärfung der Vorgangsweise der Securitate in den 70er-Jahren gegen die Aktionsgruppe geführt, das ist nachweisbar.

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