87. Ernesto Cardenal 85

Zum heutigen 85. Geburtstag des nikaraguanischen Dichters Ernesto Cardenal schreibt Erich Hackl, ND 20.1.:

Diese Talleres de Poesía, an denen Soldatinnen, Tagelöhner und Kleinbauern teilnahmen, auch solche, die im Zuge der Alphabetisierung eben erst Lesen und Schreiben gelernt hatten, sollten die vorhin erwähnte Kette weiterspannen. Cardenal wollte aber die Gedichte nicht erzwingen; er wollte vor allem keine schlechte Poesie jener Machart fördern, die nach dem Triumph der kubanischen Revolution vielerorts in Lateinamerika entstanden war: in der sich imperialismo auf comunismo reimte und abstrakte Termini überwogen, in der jeder gefallene Guerrillero als mártir verherrlicht wurde, mit jeder Morgenröte eine neue Hoffnung den Horizont erhellte. Er wollte keinen Optimismus um jeden Preis, er wollte die Gedichte nicht an die Kandare der Agitation nehmen. Deshalb verfasste er ein kleines, kaum eineinhalbseitiges Regelwerk, das die Errungenschaften der avancierten nicaraguanischen Lyrik mitteilte: 1. Ein Gedicht braucht sich nicht zu reimen. 2. Du musst kennen, worüber du schreibst. Und wenn du es nicht kennst, finde es heraus. 3. Konkrete Begriffe sind abstrakten vorzuziehen. Schreib also nicht »Baum«, sondern … Usw.

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