21. „Ich hasse den Tod“

Eben erhielt sie für ihre Gedichte wieder einen Preis. Die Wiener Autorin Friederike Mayröcker schreibt seit über sechzig Jahren buchstäblich gegen den Tod an. Ein Gespräch über ihr Œuvre führte Christine Dobretsberger, Basler Zeitung (Der Bund) 09.07.:

Sie selbst bezeichnen die Erzählung «je ein umwölkter gipfel» von 1973 als Ihr Schlüsselwerk.

Es ist deshalb ein wichtiges Buch, weil ich mich mit diesem Werk vom puren experimentellen Arbeiten abgewandt habe. Ich dachte mir, ich muss jetzt etwas anderes machen. Vorab wusste ich nur den Titel des Buches, den ich übrigens aus der «Zeit» gestohlen habe. Damals war gerade der Amerika-Russland-Gipfel, und die «Zeit» titelte mit der Überschrift: «Ein umwölkter Gipfel». Ich fügte nur das «je» hinzu und entwarf zwei sprechende Personen. Später in «Heiligenanstalt» bin ich allerdings wieder zum Experimentellen zurückgekehrt. …

Im Anschluss an die Wiener Buchpräsentation Ihres neusten Lyrikbandes «Scardanelli» sprachen Sie über Ihre intensive Hinwendung zum Leben, und es fiel der Satz «Ich hasse den Tod».

Ja, den hasse ich. Ich sehe nicht ein, dass ich abtreten muss, weil ich noch einiges vorhabe. Elias Canetti war ja auch gegen den Tod.

Hat dieser Ausspruch speziell etwas mit «Scardanelli» bzw. mit der damit verbundenen intensiven Beschäftigung mit Hölderlin zu tun?
Nein, ich bin schon viele, viele Jahre gegen das Sterben. Ich empfinde es als Abschneiden eines Fadens, der am liebsten noch sehr lange weiterginge. Dieser Faden wird einfach abgeschnitten und man geht in ein unbekanntes Terrain. Das finde ich schlimm.

http://bazonline.ch/kultur/buecher/Ich-hasse-den-Tod-Ich-sehe-nicht-ein-dass-ich-abtreten-muss/story/25770446

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