8. Pussy, Punk und Volksmund

Die „Punkband“ Pussy Riot wurde allerorts als neue Sensation des musikalischen Undergrounds Russlands gefeiert wird. Aber was hat sie eigentlich mit Musik, mit Punk im Besonderen, zu tun?

Erst einmal sehr wenig. Denn die Auftritte von Pussy Riot fanden nie in Clubs oder Konzerthallen statt, sondern im öffentlichen Raum, wo sie beim Zuschauer für Überraschung, bei Sicherheitskräften für Verärgerung sorgen mussten. Diese Guerillataktik setzt Schnelligkeit voraus, die der musikalischen Performance Einschränkungen auferlegt. (…)

In ihrem ersten Song „Befreie den Pflasterstein“, den die Band im November 2011 in der Moskauer U-Bahn spielte, wurde der Text über ein achttaktiges Sample aus dem Oi-Punk-Klassiker „Police Oppression“ der britischen Band Angelic Upstarts geschrien. Damit wiederholte Pussy Riot, was die US-Riot-Grrl-Bewegung bereits in den 90ern getan hatte: Sie eigneten sich die Musik proletarischer, männlich dominierter Subkulturen an. Und stießen damit, wegen der virilen Ausstellung weiblicher Rachegelüste (etwa in ihrem Albumtitel „Ubei sexista“ – „Töte den Sexisten“), in feministischen Kreisen auf viel Kritik.

Andererseits aber – und insofern könnte man Pussy Riot schon eher als Punkband betrachten – war Punk immer schon Entgrenzung von Musik. Der initiale Befreiungsakt von Punk war und wird immer bleiben, dass Leute zu Instrumenten greifen, die sie nicht spielen können. Malcom McLaren etwa, der die Unterschichtenkids der legendären Punkband Sex Pistols zusammencastete, war zuvor Kunststudent und Mitglied der situationistischen Künstlergruppe King Mob.

Der „wahre Punk“ war schon früh vom Fake kaum zu unterscheiden. (…)

Die eigentliche Erklärung des Phänomens Pussy Riot liegt in der Geschichte der radikalen russischen Aktionskunst seit Anfang der 90er Jahre. Eine frühes Beispiel dafür ist eine Aktion der Gruppe „Enteignung des Territoriums der Kunst“: Der Künstler Anatoli Osmolowski, seine Mitstreiter und einige in einem Park aufgelesene Punks legten 1991 mit ihren Körpern auf dem Pflaster des Roten Platzes die drei Buchstaben des schlimmsten russischen Schimpfworts.

Zwar konnte man von der Aktion in der Zeitung lesen, es wurde auch wegen „Störung der öffentlichen Ordnung“ ermittelt, aber der Vorgang war schnell wieder vergessen. Während der Jelzin-Ära erzielten solche Kunstaktionen keine anhaltende gesellschaftliche Resonanz – und so richteten sie sich im Grunde an den Kunstbetrieb. Das änderte sich bei Putins Machtübernahme Ende der 90er: Seitdem ist der repressive politische Gegendruck da, und damit auch die (mediale) Öffentlichkeit. / Matthias Meindl, taz 17.8.

Und so sehen es die anderen:

Bei aller berechtigten Kritik an Wladimir Putins Unrechtsstaat bleibt eines zu bedenken: Das sogenannte Punk-Gebet von „Pussy Riot“ in der Moskauer Erlöserkathedrale war mehr als eine Geschmacklosigkeit.

Es war eine Straftat, und zwar nicht nur nach den oft dehnbaren russischen Gesetzen. / Focus.de

Aufruhr der Vulven in Moskau … Ob diese Fotzen aufrührerisch sind, sei dahin gestellt – oder ob sie auf Honorarbasis arbeiten. / kommunisten-online

Menschenrechts-Imperialismus gab es ja schon immer. Aber dass jetzt der Pussy-Imperialismus dazukommt – alte Kalte Krieger schicken blutjunge Gören in Kirchen und geilen sich hinterher am Urteil auf -, ist dann doch etwas Neues. Vermute, das kommt jetzt öfter. Allgemeiner gesagt: Die Mischung zwischen Antikriegs- und Anti-US-Protesten mit (vermeintlich) sexueller Revolution, die 1968ff. kennzeichnete, hat sich aufgelöst. Jetzt treten die Kriegstreiber als (vermeintliche) sexuelle Befreier der Pussies auf.  Parole: Make Love AND War. Jeder Staat, der der Pornographisierung des Alltags und seiner Heiligen Städten einen Riegel vorschiebt, wird als autoritär, weil lustfreindlich gebrandmarkt. In einigen Kommentaren sieht man Russland schon auf dem Weg, ein “Gottesstaat” wie Iran zu werden…  / Jürgen Elsässer

das urteil war genau richtig! die schlampen würden bei mir auch 3 monate zuchthaus bekommen! / Dagobert

Entscheidend ist, dass man hier junge dumme Gören gefunden (und bezahlt?) hat, die Russland destabilisieren sollen. Weiß hier jemand, warum diese Pussies vorbestraft sind? Das wird ja gar nicht den Medien erwähnt. / Toringo

MDM eben: Macht der Muschi – so lange jedenfalls, wie man ihr Aufmerksamkeit schenkt / Dagobert

Putin interessiert sich einen Scheißdreck für diese Pussies. Das Problem ist, dass sie es in einer Orthodoxenkirche “getrieben” haben. / Milo

Haben die denn schon alle vergessen, daß in der “brd” und in vielen anderen Ländern das bloße Aussprechen einer Vielzahl von historischen Thesen und Forschungsergebnissen ausreicht, nominell 5 Jahre, in Wirklichkeit aber bis zu 13 Jahren ins Gefängnis zu kommen?? / Dr. Gunther Kümel

Der Name “Pussy Riot” klingt nicht besonders russisch und ist offenbar (von wem?) für ein internationales Publikum konzipiert worden / Freigeist

Die geifernden Pressetunten verloren kein Wort darüber als vor einigen Jahren der Sänger der Band “Landser” zu dreieinhalb Jahren verurteilt wurde. Auftrittsverbote und Indizierungen gabs auch zuhauf. Irgend jemand sagt “Feuer frei” und dann schießen die Mietfedern der westlichen Wertegemeinschaft aus allen Rohren gegen Ukraine, Rußland, etc / Anonym

Bei “Landser” handelt es sivh um eine lupenreine Nazi-Band. Einfach nur dreist, die mit der Punk-Band Pussy Riots auf eine Stufe zu stellen. / Sixty

Daß Ihnen eine Pussy-Band lieber ist als eine heimattreue, das ist eine in der “brd” mehrheitsfähige Vorliebe.

Ich bin ja ein Verfechter des Prinzips “Von den Juden lernen, heißt siegen lernen”. Also malen wir uns aus, wie diese Pussies reüssiert hätten, hätten sie in Israel in Synagogen und einschlägigen historischen Museen ihre Schweinereien praktiziert. / Dr. Gunther Kümel

Hier in Schland, nebenbei, wäre den Weiber im schlimmsten Falle gleiches widerfahren: §167 StGB – bis zu drei Jahre; §123 StGB – bis zu ein Jahr; ggf. §185 StGB – bis zu ein Jahr.

Also, echauffiert euch nicht über diese Sorros-Weiber, die im Auftrage fremder Herren ihre Pussies in die Öffentlichkeit trugen.
Es geht, wie so häufig, um Destabilisierung, “Propaganda”, Meinungsmache, Ablenkung – zum Zwecke des Kadavergehorsam im Äußeren (Westen) und zum Zwecke der Destabilisierung im Inneren (Russlands). / Misanthropica

Unsere Zeit, schnellebig, wie sie ist, dürfte am Schicksal der revoltierenden Muschies bald schon das Interesse verloren haben. / Avicenna1968

Dagobert, Toringo, Milo, Dr. Gunther Kümel, Freigeist, Anonym und alle anderen sind Leser und Kommentierer von Elsässerrs Kommentar, allesamt ebenfalls hier zu lesen

1 Comments on “8. Pussy, Punk und Volksmund

  1. Jürgen Elsässer war von Mitte der 1970er Jahre bis zu dessen Auflösung 1991 Sympathisant und dann Mitglied des Kommunistischen Bundes (KB). Ist das links? Linker als links?
    Bei Wikipedia lese ich: „Seit Ende 2010 gibt Elsässer im Kai Homilius Verlag das monatlich erscheinende Magazin Compact heraus, welches eine Brücke zwischen linken und rechten politischen Positionen schlagen soll“. http://de.wikipedia.org/wiki/Jürgen_Elsässer
    Aha. Ein Brückenbauer? Jedenfalls ein Linker, der von „Linken“ kritisiert und von „rechts“ gelobt wird. Weiter wiki:

    „Einzelne Äußerungen Elsässers wurden außerhalb der politischen Linken positiv aufgenommen. So urteilte beispielsweise Jochen Staadt in der Frankfurter Allgemeine Zeitung über ihn: „Elsässer gehört zu den klugen Köpfen im Linksmilieu, weswegen er dort auch keinen Einfluss hat.“[19]
    Auch im rechtsextremistischen Spektrum wurden Publikationen Elsässers vereinzelt positiv interpretiert.[20]
    Elsässer kritisierte in der Junge Welt vom 9. November 2006 an Teilen der Linkspartei, dass sie aus einem verkehrten Antifaschismus heraus von antikapitalistischen Positionen abgerückt seien. Unter anderem schrieb er: „Mit Staatsknete wird Multikulti, Gendermainstreaming und die schwule Subkultur gefördert, während die Proleten auf Hartz IV gesetzt werden.““

    Eine Brücke zwischen links und rechts, soso. Schwul und Multikulti zur Linken, Sarrazin zur Rechten, baut der ne Brücke? Heißt es Brücke bauen, wenn man „rechts“ verteidigt und „links“ angreift? „Elsässer verteidigte die Thesen des Buches Deutschland schafft sich ab und stellte den „Sarrazin-Block“ in der Bevölkerung dem „Wulff-Block“ gegenüber. Nachdem Bundespräsident Christian Wulff in einer Rede zum Jahrestag der Wiedervereinigung 2010 den Islam als Teil Deutschlands bezeichnet hatte, kritisierte Elsässer Wulffs Positionen als „Angriff auf Deutschland“: „Den Multikulti-Strategen um Wulff sei gesagt: Die Identität Deutschlands wurzelt in der ‚deutschen Leitkultur‘. Diese wird geprägt durch die großen Strömungen des Christentums im Land. […] Jüdische und islamische Einflüsse gab und gibt es zwar. Sie als gleichberechtigt daneben stellen zu wollen, ist aber in der Sache unsinnig und in der Intention zerstörerisch für die deutsche Nationalkultur.“[34]
    Elsässer begrüßt die Initiativen des rechtskonservativen ungarischen Kabinetts Orbán dessen Verfassungsveränderungen bezüglich der Betonung der nationalen Souveränität des Landes und der Festschreibung des Forint in der Verfassung.[35][36]“

    Klar, daß so jemand Putin gut findet. Sein Beitrag über „Pussy-Imperialismus“ fand 113 Kommentare. Ein Dutzend mal hat der Herausgeber Kommentare kommentiert – aber nie wenn sie Holocaust leugnen oder die Band „Landser“ „heimattreu“ nennen (gegenüber den vaterlandslosen Gesellinnen, die Putins Justiz völlig zu recht verurteilte), sondern wenn sie zu „links“ oder, ja: zu „evangelisch“ klingen. Elsässer erklärt seine Theorie ganz brückenbauerisch:
    „Besucher: … Sie suchen Gründe, sich von bestimmten Leuten auf diesem blog abzugrenzen. Ich dagegen suche die Einheit, zu der im übrigen gerne auch Sie gehören dürfen, wenn Sie es denn nur wollen.“

    Nein Danke. Mit eurer Einheit könnt ihr mich.
    Das Land ist immer noch s e h r fremd! Mich wunderts nicht, daß mir Moskauer Aktionismus nah steht.

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