89. Wiederkehr des Totgeglaubten

Es gibt eine Wiederkehr des Totgeglaubten. Die alten Formen erblühen aus den Relikten der Avantgarde. Nicht Gott ist tot, sondern der Atheismus. Religiöse Themen erscheinen den jüngeren Autoren wieder interessant, ja zwingend. Die Weltlage legt sie nahe, manchmal auch die eigene Biographie. Der Lyriker Christian Lehnert ist solch ein Dichter der Wiederkehr. Er schreibt Sonette und sogar Paraphrasen alter Kirchenlieder. Man darf ihn einen religiösen Dichter nennen. …

Lehnert ist ein diskreter Metaphysiker. Er schwenkt kein Weihrauchfass und verfällt nie ins Predigen. Er gewinnt auch den skeptischen Leser – wenn nicht unbedingt für die Sache, so doch für das Gedicht. …

Erstaunlich ist, wie gut hundert Jahre nach Rainer Maria Rilke eine Sprach- und Stil-Lage wiederkehrt, die die Moderne für längst erledigt hielt. / schreibt Harald Hartung über Christian Lehnert, FAZ

Christian Lehnert: „Aufkommender Atem“. Gedichte. Suhrkamp Verlag, Berlin 2011. 99 S., geb., 19,90 €.

3 Comments on “89. Wiederkehr des Totgeglaubten

  1. „Der Leser [Harald Hartung?] begleitet ihn [Christian Lehnert] gern und fühlt sich niemals gegängelt“; der Rezensent dagegen verlegt sich gern mal auf „das Plakative“: „Nicht Gott ist tot, sondern der Atheismus“ – woher weiß ER das? Vielleicht hat Clemens Schittko eine Lösung: „Gott ist nicht tot. Gott ist der Tod.“ Ich gestehe, ich bin immer noch ein „Atheist von Gottes Gnaden“ (Buñuel), aber vielleicht bin ich auch kein jüngerer Autor (mehr)? „Religiöse Themen erscheinen den jüngeren Autoren wieder interessant, ja zwingend. Die Weltlage legt sie nahe …“ – Die Weltlage legt noch ganz anderes nahe, aber „wer nicht hinschaut, wird auch niemals etwas sehen“ (Platzgumer).

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  2. es ist doch sonderbar, dass es immer klingt
    als würde ein schamane daherkommen,
    nur weil ‚die alten formen‘ wieder
    träger des textes-, gedichtes werden.

    als würden, hier ein totenbeschwörer, da
    ein zombie, sich verabredet haben, um
    den alten ton, das fleisch der sprache
    sich zu zwei bechern (nicht den!) zu töpfern

    dass die nicht selbstverständlich als ein korsett
    wie taucheranzug gegen die magersucht
    verstanden werden können, immer
    wenn ein gedicht aus den fugen ufert

    versteh ich nicht! doch was ich verstehe ist,
    dass vieles heute unter den tisch fällt, auch
    weil formen uniform zu denken
    jeden erschreckt, der die toten fürchtet.

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