Sophie Reyer
(Geboren 1984 in Wien, lebt dort)
:
Ich bin eine Teufelin
mit umgekehrten
Flammen ein Igel
der die Stacheln
nach Innen gerichtet
hat ich bin
das Mädchen
mit den Scherenhänden
das sich nie getraut hat
jemanden zu halten
und dafür der Welt
den Schnee schenkt, und
Worte und alle
möglichen
Welten: Dichterin,
Teufelin
Aus: Jahrbuch österreichischer Lyrik 2022/23. Herausgegeben von Alexandra Bernhardt. Wien: EDITION MELOS, 2023, S. 173
Heute eine Passage über das Übersetzen von (japanischen) Gedichten, gefolgt von mehreren teilweise extrem verschiedenen Übersetzungen desselben Gedichts. Die Einleitung ist von Manfred Hausmann:
Eins der bewegendsten japanischen Gedichte, verfaßt übrigens von einer Frau, lautet:
Asagao ni
tsurube torarete
morai-mizu.
Wenn man es wörtlich ins Deutsche übersetzt, ergibt sich folgende Aussage:
Von der Winde
des Zieheimers beraubt
geschenktes Wasser.
Für unser Empfinden stellt das gewiß kein Gedicht dar. Ja, man kann nicht einmal behaupten, daß der Sinn der Wörter, die in einer Art von Telegrammstil aneinandergereiht sind, ohne weiteres deutlich wird. Erst nach einigem Nachdenken beginnt man zu verstehen, was die Dichterin, Frau Kaga no Chiyo, die zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts lebte, damit dartun wollte:
Während der Nacht hat sich eine Winde um den Eimer meines Ziehbrunnens gerankt. Sie ist so schön, daß ich es nicht über mich vermag, sie zu zerstören. Ich verzichte deshalb lieber auf den Gebrauch des Eimers und hole das Wasser beim Nachbarn.
Eine solche umständliche Übersetzung vermittelt zwar den verstandesmäßig erfaßbaren Inhalt des kleinen Gebildes, kann aber nicht beanspruchen, eine Übertragung, eine Hinübertragung in die deutsche Sprache, eine lebenatmende Nachschöpfung zu sein.
Aus: Liebe, Tod und Vollmondnächte. Japanische Gedichte. Übertragen von Manfred Hausmann. Frankfurt/Main: S. Fischer, 1951, S. 5.
Es folgen mehrere Übersetzungen dieses Haikus in deutscher und englischer Sprache. Manchmal wird man Mühe haben, zu erkennen, dass es sich um dasselbe Gedicht handelt. (Auch der Name der Verfasserin schwankt – es handelt sich trotzdem immer um dieselbe Dichterin, Chiyo-ni (1703-1775).
Eine blühende Winde
hat sich um meinen Brunneneimer gerankt.
Ich schöpfe das Wasser beim Nachbarn.
Kaga no Chiyo, deutsch von Manfred Hausmann, aus: Liebe, Tod und Vollmondnächte, a.a.O. S. 28
Taubeglänzte Spinne, du verschuldest,
Daß ich bei Fremden Wasser schöpfen muß,
Denn du hast über Nacht
Meinen Ziehbrunnen versponnen.
Kaga no Chiyo, deutsch von Werner Helwig, aus: Wortblätter im Winde. Nachdichtungen japanischer Texte. Hamburg: Goverts, 1945, S. 63
AM BRUNNEN
von FRAU CHIYO
Windenblüten schlingen sich um des Brunnens Seil,
Ich kann die zarten Blüten nicht zerstören, –
Lieber bitt ich den Nachbarn um Wasser und laß sie heil.
Deutsch von Paul Lüth, aus: Frühling Schwerter Frauen. Umdichtungen japanischer Lyrik … von Paul Lüth. Berlin: Paul Neff, 1942, S. 127
The morning glory!
It has taken the well bucket,
I must seek elsewhere for water.
Andere Version aus derselben Quelle:
morning glory!
the well bucket-entangled,
I ask for water
Quelle: https://allpoetry.com/items/read_by/Kaga%20no%20Chiyo?kind=poem&last_i=13621620&page=1. Dort gibt es auch eine ausführliche Interpretation des kleinen Gedichts. Obwohl im Text behauptet wird, es sei von Issa, steht am Kopf der Seite und in der Webadresse der Name unserer Dichterin als Kaga no Chiyo. Morning glory ist hier übrigens der Name einer Pflanze, die von anderen als Winde übersetzt wird. Oder handelt es sich tatsächlich um ein Haiku von Issa mit demselben Motiv? Dagegen spricht, dass die anderen Gedichte davor und danach von Frau Chiyo sind. Dass es sich um dasselbe Gedicht dieser Dichterin handelt, wird auf einer anderen Webseite mit mehreren englischen Versionen deutlich, die alle die Pflanze Morning Glory nennen. Hier die Übersetzungen dieser Seite mit einem kleinen Vorspruch.
One of the most famous haiku, by Chiyo-Ni – 千代尼 (1703- 2 October 1775), also known as Fukuda Chiyo-ni – 福田 千代尼, or Kaga no Chiyo – 加賀千代 (Chiyo from Kaga.)
朝顔に
釣瓶とられて
貰い水
asagao ni
tsurube torarete
morai mizu
the morning glory
took the well-bucket away from me –
I go to the neighbour for water
The morning glory!
It has taken the well bucket,
I must seek elsewhere for water.
the morning glory
beat me to it …
I go to the neighbour to fetch water
(Tr. Gabi Greve )
morning glory !
the well-bucket entangled
I ask for water
(Tr. Donegan and Ishibashi)
my well bucket
taken by the morning glory—
this borrowed water
(Tr. Ueda Makoto)
Quelle: https://suisekiblog.wordpress.com/2018/06/15/haiku-asagao/
Mehr über die Autorin beim Lyrikwiki



Heute wäre der 86. Geburtstag von Elke Erb (* 18. Februar 1938 in Scherbach (Rheinland); † 22. Januar 2024 in Berlin). Hier ein Gedicht aus dem 2007 erschienenen Band „Sonanz“.
VON HOLLAND NACH SPANIEN
Man sieht sich doch sehr fern, wenn man von Holland liest. Man kann jeder sein. Wer von Holland liest, ist geistig dort. Die Erhabenheit Hollands rückt es in die Ferne. Die Erhabenheit ist ein Verbund, da kommt eins zum andern. Die Seemacht, Handelsmacht, die Schafzucht, die Linsenschleifer. Nach Spanien jedoch von Holland ist fast nichts. Die Kleinigkeit Frankreich. Auch die Pyrenäen sind nichts, im Gegenteil: kaum ihr Name, und schon ist man hinüber. Man kauft in Spanien Fleisch. In den Herbergen fragt man nach einem freien Bett und Topf und Feuer. Sie sind zu wenige Leute, für Reisende kochen sie nicht. So trägt jeder Seins bei sich, der da in Spanien reist. Das Zeitalter ist der Barock. Der Mond ist nicht bewohnt, wir sind nicht unbescheiden.
(29.1.2004)
Aus: Elke Erb, Sonanz. 5-Minuten-Notate. Basel, Weil am Rhein: Urs Engeler, 2008, S. 87
Bertram Reinecke
(Leipzig)
Verstimmte Sestinen
Alles im Lot. Kunst
Nutzt als Show, denn
In sich ruht wer hat. Lohnt
Stolz? Wird dadurch Mehr-
Wert? – Wohl nur im Wahn!
Lass Lessing doch ruhn!
Klagen ist Tortur
Kunst war so schlecht nie
Die Kunst geht nach Brot?
Oh, ich lach. Kunst strebt
Sehr hoch. Und sie fragt
Nach mehr: Will och die Wurscht.
Aus: Bertram Reinecke, Daphne, ich bin wütend. Gedichte. Leipzig: Poetenladen, 2024, S. 79
Wer nach mehr fragt, findet es im Buch. Mehr Gedichte sowieso, aber auch einen Anhang mit Erklärungen zu den Gedichten, einem Essay des Autors „zur Poetik und dem Gespräch darüber“ und einem Nach-Wort des Mitherausgebers der „Reihe Neue Lyrik“, Jan Kuhlbrodt. Wie sagt Goethe, ich zitiere verkürzt: den Gehalt sieht jederman vor sich, die Form bleibt ein Geheimnis den meisten. Bei diesem kurzen Gedicht, aus kurzen Zeilen von meist fünf Silben, genauer eine mehr als zwölf mal 5, und überwiegend einsilbigen Wörtern, kann man vielleicht selbst auf seine formalen (?) Tricks kommen. Lass Lessing doch ruhn!
Friederike Roth
(* 6. April 1948 in Sindelfingen)
Stephen Daedalus macht ein Gedicht
Der Dichter
strömt seine Verse nicht aus wie
der Stadtbrunnen sein Wasser zum Beispiel.
Der Dichter mit bösem Vorbedacht
liest
wie man ein Lexikon liest
und schafft
einen ganzen Vorrat von Worten.
Er sammelt
aus dem Munde der schwer einhergehenden Menschen
für sein Schatzhaus die Worte.
Er wiederholt sie und wiederholt
und vergißt
ihre handgreifliche Bedeutung.
Wiederholend verwandelt er sie
in wundervolle Worte
nur Worte.
Dann geht er
bedachten Schrittes nach Hause
und fügt
seine Worte in Sätze zusammen
mit bedachtem
unermüdlichem Ernst.
Aus: Mein Gedicht ist die Welt. Deutsche Gedichte aus zwei Jahrhunderten. Bd.2: 1912-1980. Hrsg. Wolfgang Weyrauch. Frankfurt/Main, Olten, Wien: Büchergilde Gutenberg, 1982, S. 482
Paolo Buzzi
(* 15. Februar 1874, heute vor 150 Jahren, in Mailand; † 18. Februar 1956 ebenda)
Brandenburger Tor
Schlecht kopierst du die Propyläen.
Weißer war der Marmor,
heißer der Himmel von Athen!
Es schwingt in deinen fünf Mündern
nicht der Wind von Homers Gesängen.
Du bist von vor ein paar Jahren.
Es klingen in deinen dorischen Säulen
noch jüngste Meißelschläge nach.
Und die bronzene Siegesquadriga
riecht eher nach Krupp als nach Samothrake,
Doch dem Zug des modernen Imperiums
öffnest du die Wege zur Welt.
Von dir aus schaut Mars mit lüsternem Aug auf die Plätze
des Kriegs.
Der Zukunft viel, vielleicht viel, (es klagt der Gedanke)
wird das Guano der Adler düngen,
die sich von deinen Firsten zum schweren Flug erheben.
Welchen Weg suchen sie durch Nebel und Himmelblau?
Deinen Turm, o London?
Die Julisäule, o Paris?
Die Front des Kapitols, o Rom?
Deutsch von Bettina Kienlechner, 1989, aus: Urlaute dadaistischer Poesie. Der Berliner Dada-Abend am 12. April 1918, rekonstruiert von Jeanpaul Goergen mit Texten von George Grosz, Raoul Hausmann, Richard Huelsenbeck, Walter Mehring, Tristan Tzara, Libero Altomare, Paolo Buzzi, Luciano Folgore, Corrado Govoni, Aldo Palazzeschi, F.T. Marinetti und zeitgenössischen Pressestimmen. Hannover: Postskriptum, 1994. (Randfiguren der Moderne), S. 35. Das Originalgedicht aus Versi liberi, 1913.
Yusef Komunyakaa
(* 29. April 1947 in Bogalusa, Louisiana)
Schleimpilze
Sie sind hier. Zwischen Gras
-halmen, wie geteilte Zellen.
Zwischen Pflanze & Tier. Gut
Zu nichts. Bei einem Regenguss
Verklumpen Sporen. Gelbweiße
Teile eines Puzzles. Unsichtbar,
Bis sie vereint sind. Etwas, das
Übrig ist von einer Welt von früher –
Jenseits moderner Vernunft. Ur
-finger, verringert & vervielfacht
Ums Hundertfache, grundlegendste
Liebe & Bedürftigkeit formten daraus ein
Glaubenssystem. Die Farbe von Rührei.
Gut zu etwas, woran wir nie dachten,
Kriechen diese Haustiere von Aliens
Die blühenden Judasbäume hinauf.
Deutsch von Mirko Bonné, aus: spritz. Sprache im technischen Zeitalter 248, Dez. 2023, S. 437
Tom Schulz
Manchmal stromere ich durch die Gärten an Nach-
Mittagen. Wonach ich nicht suche, finde ich. Gras
weckt mich, Stielkraut. Gedächtniskratzer, wie war ich
Blume und trank? Die Schollen treiben, über dem Eis
wandern Wolken, leer geräumte, geträumte Schiffe.
Die Gärten, aufgelassen – soweit ich irre, gibt es den
Weg, mich findet wieder Hang, Wein und Senke.
Die Gärten der Städter, verlassen an Wochentagen.
Wer kommt, kommt einmal, oder zu spät für die Auto-
Biographie des Lichts. Leichte Sommerhäuser faltet
zusammen der Wind, eine Plastikmadonna hält schützend
die Hände über uns. Kurz war der Winter, vergeblich
die Fotos von der Mandelblüte. Nichts bleibt zu beneiden.
Etwas sammelt mich auf, und was ich nicht suchte, füllt
die Hände mit nachwachsendem Chlorophyll.
Aus: manuskripte 242/ Dez. 2023, S. 51
Kornelia Koepsell
AUF DIE SOLDATEN WARTENDE
Es gibt Dörfer, an denen die Stille so aufschreit,
daß nichts zu hören ist, selbst das Gespräch der Frauen
am Tor beim Abschied, verstehe ich nicht.
Ich sehe ihre gefrorene Silhouette, ich sehe
das Grün der struppigen Wiese hinter dem Zaun,
sehe die schwarze Tracht und über ihnen
am Himmel einen plumpen Bomber,
wie festgepappt, eine erstarrte Kulisse.
Verständnislos blicke ich auf die Szene, zwei Frauen,
die inne halten, als fehlte der Zeiger der Uhr.
Erst später sah ich, daß sie auch Füße hatten,
echte Füße, und winzige Schuhe dazu.
Die Großmutter erkannte ich plötzlich und Mutter,
weil ich das Haus erkannte, nur darum,
aber den abwesenden Vater begriff ich nicht,
ich biß mein Auge an der weißen Gardine fest.
Aus: manuskripte. Zeitschrift für Literatur 225/2019, S. 85
Die Zeitschrift Abwärts!, von Bert Papenfuß ebenso mitgegründet wie die diversen Vorgängerinnen, widmet ihr aktuelles Heft dem am 26. August 2023 verstorbenen Dichter. Zahlreiche Freunde und Weggefährten haben dazu beigetragen. Dem Heft liegt eine CD bei, Muspilli Rökrökr Mashup, mit Herbst in Peking, Papenfuß und Freunden. Aus dem Heft ein Trauerlied oder Gebet von
Helko Reschitzki
Wer durch das Feuer
Wer durch das Feuer
Wer durch das Wasser
Wer durch die Dürre
Wer aus altem Hass
Wer durch Erdenrichter
Wer als Strafe Gottes
Wer aus eigenem Willen
Wer entscheidet das
Wer durch Hungersnöte
Wer durch eine Seuche
Wer in seinem Heimatdorf
Wer in der fremden Stadt
Wer durch einen Unfall
Wer reich an Jahren
Wer schon in der Wiege
Wer entscheidet das
Wer gebeugt vor Kummer
Wer mit leichtem Herzen
Wer an einem Frühlingstag
Wer in der Winternacht
Wer allein, verlassen
Wer im Kreis der Lieben
Wer in einem Hospital
Wer entscheidet das
Wer auf einem Schlachtfeld
Wer im finstren Kerker
Wer auf blanker Erde
Wer in einem Palast
Wer will noch nicht gehen
Wer freut sich auf sein Ende
Wer wird als Geist umherirren
Und wer entscheidet das
Übertragen ins Singdeutsche für die Untergangssaga Totenstarren, frei nach Leonard Cohens Who by fire und dem jüdischen Gebet Unetane Tokef.
Im Heft u.a.

Eduard Mörike
(* 8. September 1804 in Ludwigsburg, Kurfürstentum Württemberg; † 4. Juni 1875 in Stuttgart)
Restauration
nach Durchlesung eines Manuskripts mit Gedichten
Das süße Zeug ohne Saft und Kraft!
Es hat mir all mein Gedärm erschlafft.
Es roch, ich will des Henkers sein,
Wie lauter welke Rosen und Kamilleblümlein.
Mir ward ganz übel, mauserig, dumm,
Ich sah mich schnell nach was Tüchtigem um,
Lief in den Garten hinterm Haus,
Zog einen herzhaften Rettich aus,
Fraß ihn auch auf bis auf den Schwanz,
Da war ich wieder frisch und genesen ganz.
1837
Aus: Mein Gedicht ist die Welt. Deutsche Gedichte aus zwei Jahrhunderten. Herausgegeben von Hans Bender und Wolfgang Weyrauch. Band I. Frankfurt/Main, Olten, Wien: Büchergilde Gutenberg, o.J. (1982), S. 240
Hier mit dem Kommentar von Michael Braun (wobei sie leider den wichtigen Untertitel weggelassen haben).
Amy Lowell (* 9. Februar 1874 in Brookline, Massachusetts; † 12. Mai 1925 ebenda) war eine US-amerikanische Frauenrechtlerin und Dichterin. Sie erhielt 1926 [also postum] den Pulitzer-Preis für Lyrik. Wikipedia
Zikaden
Ufer des Lake Michigan
Zikaden raspelten in den düsteren Bäumen,
Und ich dachte, sie sind kleine weiße Skelette,
Die mit zwei Knochenfingern auf der Fidel spielen.
Wie lange ist es her, seit die Indianer hier gingen,
Mit glatten Füßen über den Sand schlichen?
Wie lange ist es her, seit die Indianer hier starben
Und ihnen der kriechende Sand Knochen vom Knochen raspelte?
Tote Indianer unterm Sand, die ihre Knochen gegen
Wampumschnüre schlagen.
Die Wurzeln junger Bäume haben ihre Gräber aufgerissen,
Aber in den Ästen sitzen kleine weiße Skelette
Und feilen bittere Totenklagen durch die Augustnacht.
Deutsch von Jürgen Brôcan, aus: SEHEN heißt ändern. Dreißig amerikanische Dichterinnen des 20. Jahrhunderts. Eine zweisprachige Anthologie. Herausgegeben, übertragen und mit einem Nachwort versehen von Jürgen Brôcan. Lyrik Kabinett München, 2006, S. 163
Katydids
Shore of Lake Michigan
Katydids scraped in the dim trees,
And I thought they were little white skeletons
Playing the fiddle with a pair of finger-bones.
How long is it since Indians walked here,
Stealing along the sands with smooth feet?
How long is it since Indians died here
And the creeping sands scraped them bone from bone?
Dead Indians under the sands, playing their bones against strings
of wampum.
The roots of new, young trees have torn their graves asunder,
But in the branches sit little white skeletons
Rasping a bitter death-dirge through the August night.
Alfons Paquet
(* 26. Januar 1881 in Wiesbaden; † 8. Februar 1944, heute vor 80 Jahren, in Frankfurt am Main)
KURZE BIOGRAPHIE
In Wiesbaden bin ich geboren,
In London pfiff mir der Wind um die Ohren,
In Sibirien sah ich, was Fremde ist,
In China wurde ich Christ,
In Amerika Europäer.
So kam ich der Heimat wieder näher.
Europas Jordan ist der Rhein:
Man kann ein Weltkind und gläubig sein.
Aus: Alfons Paquet: Gesammelte Werke. Erster Band. Gedichte. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1970, S. 37.
Phoebe Giannisi wurde 1964 in Athen geboren. Sie studierte Architektur an den Universitäten von Athen und Lyon und ist Professorin an der Universität von Thessalien in Volos.
Phoebe Giannisi
(Penelope IV)
Wenn ein Kind geboren wird
fließt Zärtlichkeit
wie Milch aus den Brüsten
der reine Himmel
wie seine Augen die nur undeutlich sehen
etwas großes wird geboren in etwas so kleinem
offen und geschlossen
jedes Neugeborene ist Zeus in seiner Höhle
gesäugt von Ziegen
hilflos und deswegen
mächtiger als alles
bereit
es hält in seiner Hand die Welt
ich erwache mitten in der Nacht
um ihm meine Liebe zuzuflüstern
den Kampf seine Macht für das Leben
die Socken seine Kleider
unseren eigenen unbesiegbaren Duft
seinen ruhigen Schlaf
wieder ist ein unendliches Geschenk von den
Sternen gefallen
(Volos, 13.5.08)
Aus: Phoebe Giannisi, Homerika. Gedichte. Übersetzt von Dirk Uwe Hansen. Leipzig: Reinecke & Voß, 2016, S. 72
Heute vor 40 Jahren starb der spanische Dichter Jorge Guillén.
LIEDCHEN ZUM AUFSTEHEN
(Dunkle Müdigkeit,
Morgen für brennende Lampen.)
Schüttle den Schlaf ab, Freund,
bist noch am Leben, auf.
Gut ist das Leben,
gut ist es, neu zu beginnen.
An Arbeit fehlt's nicht,
Augen auf, Kavalier.
Der Morgen wird heller,
der Nebel vergeht,
wach auf, Freund, wach auf,
hoch mit dir!
Iß etwas Warmes,
Mut braucht Brot.
Rüste dich schnell,
uns erwartet die Klarheit.
Zwischen Wolken die Sonne
ruft uns zum Treffen.
Gehen ist besser als Stehen.
Bist noch am Leben, auf.
Aus dem Spanischen von Hildegard Baumgardt. Aus: Jorge Guillén, Berufung zum Sein. Ausgewählte Gedichte (Spanisch-Deutsch). München: Heyne, 1979, S. 105
ALBORADILLA DEL COMPAÑERO
(Oscuro cansancio,
Alba para luz encendida.)
Sacude el sueño, compañero,
Vida aún, arriba.
Bueno es el vivir
Y bueno volver a empezar.
Trabajo no falta,
Abre los ojos, galán.
La madrugada se aclara,
La neblina se disipa.
Despierta, amigo, despierta,
¡Arriba!
Toma algo caliente,
No hay valor sin pan.
Avíate pronto,
Nos espera la claridad.
El sol entre nubes
Nos lanza su cita.
Seguir es mejor que pararse.
Vida aún, arriba.
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