Kategorie: Ungarn

Im Verswald versteckt

Lebst wie ein Räuber, im Verswald versteckt.
Wirfst deinen Handschuh, diese fünffingrige
Lilie stracks vor die witternden Hunde.
Gieriges Schnappen. Blut sickert aus ihm.

Ausgleich der Verhältnisse

Sie hatte ja keine Ahnung,
dass sie etwas anderes sein könnte
als eine Frau, dennoch hielten sie alle
für eine Betrügerin, weil sie als
Hermaphrodit an einem Frauenwettbewerb
teilgenommen hatte.

Das glas schimmert im gras

Die mädchen und die jungen männer
verwechseln immer ihre gläser.

Ansichtskarten vom Todesmarsch

Vom Maul des Ochsen tropfen Blut und Speichel,
die Menschen urinieren alle Blut.
In Knäueln stinkend steht die Kompanie
und über uns der Tod heult wie ein Vieh.

Hannah Senesch

Mein Gott, dass niemals ende
der Sand und das Meer
das Rauschen des Wassers,
das Licht des Himmels,
das Gebet des Menschen.

Man lerne, was auftaucht

Man lerne. Sommerwolken.
Wie Himmelswälder glühen.

Man lerne Honig, Walnuss,
Raumschiff und Pappelbaum

Bäume lernen

Unten der Fluß, der sich nicht regt,
der Ente stummer Flügelschlag
und die blindweiße, blaue Nacht

Polyglotten-Panik

Weh ist ein Wort, das ich aus den Opern von Wagner
gelent habe. Man sagt es, wenn man gleichzeitig singen
und kreischen muss

Frühes Dunkel

Gyula Illyés (* 2. November 1902 in Felső-Rácegrespuszta, Österreich-Ungarn; † 15. April 1983, heute vor 50 Jahren, in Budapest) Frühes Dunkel Vor den ruhelosen Wolken des Herbsthimmels tänzelt der Mond. Bevor er sich davonmacht, bevor er weggerissen wird, möchte er sich noch einmal im… Continue Reading „Frühes Dunkel“

Huszt / Hust / Chust / חוסט / Хуст

Eine Stadt, in der Ungarn, Juden, Roma, Rumänen, Deutsche, Russen, Ukrainer und andere lebten, belagert, erobert oder zerstört von Mongolen, Tataren, Österreichern, Osmanen, Polen, Ungarn und wer weiß wem noch. Im 20. Jahrhundert gehörte sie nacheinander zu: Österreich-Ungarn, Rumänien, Tschechoslowakei, einer kurzlebigen unabhängigen Karpatho-Ukraine,… Continue Reading „Huszt / Hust / Chust / חוסט / Хуст“

Petőfi 200

Sándor Petőfi  Ungarisch Petőfi Sándor, slowakisch Alexander Petrovič, * 1. Januar 1823 , gestern vor 200 Jahren, in Kiskőrös als Sándor Petrovics; † (gefallen) 31. Juli 1849 bei Segesvár (Schäßburg, Sighișoara, heute in Rumänien). Wer ich bin? Ich sag es nicht! Kann nicht meinen Namen nennen; keiner darf mich hier erkennen. Wollt ich… Continue Reading „Petőfi 200“

Nie im Leben werd ich heimziehn

Endre Ady (* 22. November 1877 in Érmindszent, Komitat Sathmar, Österreich-Ungarn; † 27. Januar 1919 in Budapest) Pfeife alten Aberglaubens Gesungen einst von einem Ungarn auf der Flucht Einsam dein Geschick bewein ich, Ungarnvolk‚ Volk meines Blutes, Mitten auf dem Bettlermarkte Wein noch saufend… Continue Reading „Nie im Leben werd ich heimziehn“

Oh, du armes Ungarvolk

János Rimay (Um 1573 — 9. Dezember 1631) Gedicht, in dem er den Verderb der ungarischen Nation beklagt Oh, du armes Ungarvolk, entkräftet und verfallen, Einst warst du durch Heldentum und Mut gerühmt von allen. Weh, jetzt mahnst du an gestürzte Heldenbildgestalten, Keiner deiner… Continue Reading „Oh, du armes Ungarvolk“

Alkohol

Ágnes Nemes Nagy  (* 3. Januar 1922 in Budapest; † 23. August 1991 ebenda) Alkohol In klirrend sich häufenden Knoten stirbt der Wald, sagt Lebewohl. Die Grünsommerflamme verflogen. Was bleibt, ist der Rest-Alkohol. Trink, trink. Was Trester geblieben, press aus und schluck ihn runter. Schnaps-Seele, dunkel, durchtrieben, mach uns die Kehlen… Continue Reading „Alkohol“

Selbstbildnis

Milán Füst  (geboren 17. Juli 1888 in Budapest; gestorben 26. Juli 1967 ebenda)  Selbstbildnis Ein Alter, hager und hakensinnig will auch ich sein, so, wie der Herr … Und solltest du fordernd fragen nach meinen Kindern, so werde ich voll Verachtung den Kopf abwenden … Denn keine Kinder hab ich, ich… Continue Reading „Selbstbildnis“