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Konstantin Biebl
(* 26. Februar 1898 in Slavětín nad Ohří; † 12. November 1951 in Prag)
Die Leiden des jungen Dichters In einer weit gedehnten, grasreichen Landschaft, im melancholischen Echo der Lettenufer des Oharka-Flusses, in den dichten Windungen, wo sich auch tagsüber, nicht zaghaft, grünliche Rusalken im Erlenschatten tummeln, dort schöpft der Dichter aus schwarzen Wassern den schäumenden Wein, denn der Dichter schätzt nur ein starkes Getränk, das ihn gleich mitreißt in den singenden Strom hinein, seiner Chimären Reich. Verwirrte Stimme des Bluts und dein allzu schwerer Schritt auf den magnetischen Wiesen im Glitzern der Bernstein-Sterne, hinsinkend legst du dich irgendwo mit dem Gesicht tief in die frauengewandweiche Luzerne. Und entschlummerst auf einer Wiese, die gleicht einem Amphitheater, vernimmst dunkle Stimmen. Das römische Volk grüßt den Cäsar und murrt über Kleopatra, die mit einer einzigen‚ stolzen Geste tausend Jahre der Ruhe bedroht. Und du hörst auf die Bäume, auf ihren fernen Wellenschlag, und der blaue Schimmer deiner großen salzigen Tränen ist wie ein Schatz, der im Meer versinkt und dort strahlt tief in der See, wo die gescheiterten Schiffe verwesen. An einem Faden hängt des Dichters Leben, er sucht ein paar Zauberworte, ach, und findet er sie nicht, muß er sterben. Er schaufelt sich singend sein grünes Grab.
Deutsch von Roland Erb
Aus: Die Sonnenuhr. Tschechische Lyrik aus 11 Jahrhunderten. Teil 3: 1900 – 1950. Hrsg. Ludvík Kundera. Leipzig: Reclam, 1987, S. 150f
wann endlich wird es eine umfangreichere Biebl-Ausgabe auf Deutsch geben?
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