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Veröffentlicht am 12. Oktober 2017 von lyrikzeitung
CARLOS DRUMMOND DE ANDRADE
(31. Oktober 1902, Itabira, Minas Gerais, Brasilien – 17. August 1987, Rio de Janeiro)
Gedicht mit sieben Gesichtern
Als ich geboren wurde, sagte ein scheeler Engel,
einer von denen, die im Dunkeln hausen,
zu mir: Los, Carlos, sei linkisch im Leben!
Die Häuser belauern die Männer,
die hinter den Frauen herlaufen.
Der Nachmittag wäre vielleicht blau,
gäbe es nicht so viele Wünsche.
Vorbeifährt die Straßenbahn, voller Beine:
weiße schwarze gelbe Beine.
Wozu so viele Beine, mein Gott, fragt mein Herz.
Aber meine Augen
fragen nichts.
Der Mann hinter dem Schnurrbart
ist ernst, schlicht und stark.
Er redet kaum.
Wenige seltene Freunde hat der Mann
hinter der Brille und dem Schnurrbart.
Mein Gott, warum hast du mich verlassen,
wenn du wußtest, daß ich nicht Gott war,
wenn du wußtest, daß ich schwach war.
Welt Welt weite Welt,
Wär mein Name Türkenfeld,
nicht Lösung wär’s, nur Reim und Scherz.
Welt Welt weite Welt,
weiter aber ist mein Herz.
Ich dürfte es dir nicht sagen:
aber dieser Mond,
dieser Cognac,
machen einen teuflisch sentimental
(1925)
Aus: Brasilianische Poesie des 20. Jahrhunderts. Hrsg./Ü Curt Meyer-Clason. München: DTV, 1975, S. 90
Kategorie: Brasilien, PortugiesischSchlagworte: Carlos Drummond de Andrade, Curt Meyer-Clason, L&Poe-Anthologie
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