Man kann ja immer sagen

Von Marcus Roloff

Man kann ja immer sagen, ich schweige zu diesem Land, zu diesem Mittelschichtsrechtsruck, ich schweige mich aus und bin für morgen da, demnächst, wenn wir tot sind, in hundert Jahren rede ich weiter, jetzt bringt mich niemand dazu, mich einzubringen mit Beiträgen, die klarmachen, wie ich das finde, dass die Deutschen solche Arschlöcher sind, so ein Tätervolk, Wirtschaftswunder und zack, alles vergessen, vierzig Jahre betrogen und zack, Eigenheim, Alkoholismus, keine Perspektive, aber Super-Illu und zweihundert TV-Sender, und endlich Pornos for free und anonym, endlich nicht mehr rumstehn in Sexshops, endlich Autofokus Autoerotik, endlich abgehängt vom Leben und dauerbefriedigt, und Berge und Nächte, und Sachsen und Hellersdorf und Schweinesystem und so weiter, dieser Atzenalarm, verblödete traurige Wutbürger mit den Kaffeekränzchenfressen, diesem Gartenzaun, der hegt und einhegt und es sich schön zurechtmacht im Leben, und keinen Schimmer davon, warum geschieht was geschieht, sich nur nach der ersten besten vorbeilaufenden Antwort umdrehen und erstbeste Dinge nachkrähen, Aufgeschnapptes ans Hirn tackern und loslaufen und so eine Ahnung von Grundgesetz, so eine irre anmaßende Ahnung, dass man ja als Bürger den Mund aufzutun hat, gefälligst, klar, Bürger, du dumme Sau, machst dir auch so deine Gedanken, hast auch so deine Meinung, willst auch eine, die zählt, jahrzehntelang vom Abendsessel eingeweichtes Gehirn, das von Besserem träumt als von der Wirklichkeit um die Ecke, die du sowieso nicht verstehst, und diese scheiß Impulse, irgendein runtergeschluckter Hass schon seit langem auf dies und das, vor allem auf dich, weil irgendwas in dir ahnt, dass du niemandem die Schuld für deinen Dreck geben kannst, das fällt letztlich alles auf dich zurück, deine Blödheit, deine Schrankwand, diffuse Erinnerungen an den ersten Fick, der irgendwie auch nicht so doll war, hatteste dir anders vorgestellt, hast nichts und niemand verzaubert, lief alles weiter wie vorher, alles Banane, hattest ja erst noch Absichten, Ambitionen, aber da waren immer Leute, die besser waren als du, unmerklich schlich sich dieses Gefühl ein, dass mehr als mitzulaufen nicht drin sein würde in diesem Leben, dieses eh schon in den Shoppingmalls zerschredderte Etwas, das deinen Körper durch die Gegend schickte, du ranntest und es ergab keinen Sinn.

5 Comments on “Man kann ja immer sagen

  1. ich geb dir recht, große, im text nicht markierte schwäche der tonfall, die sprachform. [mein kommentar auf fb: „mir ist es auch eher unangenehm, weil ich ahne, dass so eine sprache auch mimikry ist (so reden die auch). (nächste frage wäre: wer ist ‚die‘?) (usw.)“ (24. September um 11:29).] insofern d’accord, so ein nebulöser (gegen-)affekt reicht nicht, völlig klar.

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  2. Hm. Dieser Text hätte so auch im Hirn eines SED-Funktionärs 1989 ablaufen können (ohne die Konsumaspekte natürlich). Ich lese einfach nur einen Affekt, und da hilft es nichts, dass er einer linken /libertinären/ poetischen Birne entsteigt. Die Kritik muss besser werden, sonst können wir einpacken.

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