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Veröffentlicht am 4. Juli 2015 von lyrikzeitung
Beeinflusst vom deutschen Idealismus und vom strengen Ding-Realismus eines Francis Ponge und eines Rainer Maria Rilke, steht die Aufgabe des Notierens, Umkreisens, Verdichtens und Totalisierens – des Festhaltens – von «Wirklichkeitsfragmenten» im Zentrum all seiner Schreibbemühungen: «Man muss die Dinge sagen, wie sie waren.»
(…)
Jaccottet ist, im besten Sinn, ein altmodischer Dichter, in den Klassikern ebenso bewandert wie in den Modernen, ein Asket des Schreibens, in dessen Leben sich alles, vom Rückzug ins ländliche Grignan bis zu seinen Äusserungen in Interviews, auf Klarheit und «Richtigkeit» richtet. Sein Stolz: die kurzen Momente der Verzückung, in denen die transzendente, sinnvolle Dimension der Welt spürbar wird, festzuhalten; die zarte Spur zwischen Auge und Empfindung aufzuspüren in der Evokation von Lichtreflexen, Vogelstimmen, Wetter und Wind – so, als gehöre die Sprache tatsächlich und zwingend zur Welt, als «gebe es wirklich Wendungen, Rhythmen, Worte, die wahrer sind als andere».
(…) Er ist der Traditionalist unter den Modernen; und sein Werk trägt den Beweis, dass Dichten möglich ist, zu jedem Zeitpunkt und nach jeder Katastrophe. «Zerbrechlich ist der Schatz der Vögel», schrieb er in seinem ersten Gedichtband: «Dennoch, möge er funkeln!» – Heute feiert Philippe Jaccottet seinen neunzigsten Geburtstag. / Milo Rau, NZZ
Kategorie: Französisch, SchweizSchlagworte: Milo Rau, Philippe Jaccottet
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