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A C H T U N G
Thou shalt be-Nothing.- OMAR KHAYYAM
Tombless, with no remembrance.-SHAKESPEARE
Dead thou shalt lie; and nought
Be told of thee or thought,
For thou hast plucked not of the Muses´ tree:
And even in Hades´ halls
Amidst thy fellow-thralls
No friendly shade thy shade shall company!
Translated by Thomas Hardy, with his reference to Khayyam and Shakespeare.
Confucius to Cummings. An Anthology of Poetry. Edited by Ezra Pound and Marcella Spann. New York: New Directions, 1964 (Tenth printing) 1.1926. S. 18.
Manfred Hausmann
Gänzlich, wenn du einst stirbst,
schwindest du hin,
niemand wird dein gedenken,
niemand wünscht dich zurück,
denn du hast nie
Rosen gebrochen im
Land der Musen, und so
wehst du hinab
ruhmlos ins Land des Hades
und verlierst dich alsbald
irrenden Flugs
unter den fahlen Toten
Manfred Hausmann: Sappho. Lieder und Bruchstücke (Das Gedicht. Blätter für die Dichtung) Hamburg Heinrich Ellermann, 1948 (Nr. XIV)
[Achtung: so deutsch überschreibt der englische Autor Thomas Hardy (1840 – 1928) seine Nachdichtung eines Sappho-Fragments, aufgenommen in Ezra Pounds Anthologie „Confucius to Cummings“, 1926.
Durch die Original-Referenzen an Omar Khayyam und Shakespeare entsteht ein Palimpsest aus den vier Schichten: Antike, Persien, Elisabethanisches England, Viktorianisches England. Ich bin so frei, der deutschen Spur eine weitere deutsche Schicht hintenanzufügen.
Das deutsche Wort – bei Hardy noch ohne Ausrufezeichen; das im 20. Jahrhundert für viele Völker neue Bedeutung annehmen sollte – verstärkt die Drohung des Gedichts – während der Deutsche sie in Poesie abschwächen möchte.]
Nachtrag 2011
Fassung von Anne Carson
55
Dead you will lie and never memory of you will there be nor desire into the aftertime–for you do not share in the roses of Pieria, but invisible too in Hades' house you will go your way among dim shapes. Having been breathed out.
Aus: If not, winter. Fragments of Sappho. Translated by Anne Carson. New York: Vintage Books 2003, S. 115.
55LP/58D
κατθάνοισα δὲ κείσῃ οὐδέ ποτα
μναμοσύνα σέθεν
ἔσσετ‘ οὐδὲ †ποκ’†ὔστερον· οὐ
γὰρ πεδέχῃς βρόδων
τῶν ἐκ Πιερίας· ἀλλ‘ ἀφάνης
κἠν Ἀίδα δόμῳ
φοιτάσεις πεδ‘ ἀμαύρων νεκύων
ἐκπεποταμένα
An eine ungebildete Reiche
Wenn du starbest, du wirst liegen
und wird keine Erinnrung mehr
Dann hinfüro zurückbleiben von
dir, denn an Pieria’s
Rosen hast du nicht Teil. Nein un-
gesehn auch in des Hades Haus
Wirst du wandeln , dahinschwebend mit
lichtloser Gestorbenen Schar.
[Übersetzung: G.Thudichum (33)]
Aus der Tusculum-Ausgabe:
55 Voigt
Und tot wirst du liegen und niemals wird Erinnerung von dir
bleiben, auch [niemals] später: Denn du hast keinen Anteil an den Rosen
aus Pierien, sondern unscheinbar auch in Hades‘ Haus
wirst du verkehren mit düsteren Toten, bist du erst einmal weggeflogen.
In: Sappho: Gedichte (Tusculum) Hrsg. / Übers. Andreas Bagordo, Düsseldorf: Artemis & Winkler 2009, S. 126f.
mein stoßseufzer bezog sich natürlich nicht auf sie und viele andere leser (von einigen weiß ich auch). es ist nur so, daß solche debatten halt ermüden und nerven (gibt auch immer noch jede menge unappetitliches anonymes) wenn ich nicht davon ausginge, daß hier leute was suchen und auch finden, würde ich das nicht so lange gemacht haben – im november werdens 11 jahre. nb ich hoffe auf lyrikwiki-klavkiartikel, von mir aus ein zwei viele. kann auch über einzelnen band, gedicht, einzelnes thema sein. kann auch als fragment anfangen, zb mit knapper biobibliographie, an die sie oder jemand später andocken kann. was tun, damit es gefunden werden kann, wenns dann mal einer sucht.
– die stelle von hausmann ist schön: ja!
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@ Lyrikzeitung: Dass ich mir so manches Gedicht hier rauskopiere und geflissentlich in meinen Gedächtnisschatz aufnehme, können Sie natürlich nicht sehen. Nur fragt man sich, inwieweit man auf diesen Akt noch verweisen soll. Es ist ja kein „konstruktiver“ Beitrag. Das bisschen Griechisch, was ich mitnehmen konnte, befähigt mich leider nicht dazu, einer Übersetzung den Vorrang vor einer anderen zu geben oder zu sagen: „Das hier ist grober Unfug!“. Klar finde ich die eine Formulierung gelungener als eine andere. Diese schlichte hier gefällt mir zum Beispiel am besten:
„niemand wünscht dich zurück,
denn du hast nie
Rosen gebrochen im
Land der Musen“
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meint Hardy mit „Achtung“ nicht vielmehr das, was wir heute „Ächtung“ schreiben würden?
Also „Acht“ im Sinne von „Acht und Bann“, „ächten“? Scheint mir im Hinblick auf den Text viel plausibler zu sein
als „Achtung“ im heutigen Sinne.
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ja, das klingt plausibel. aber da einmal „achtung“ dasteht, bleibt es auch. hardys fehler hat dann eine neue bedeutung geschaffen, eine assoziation, die mit dem gedicht verbunden bleibt. auch mißverständnisse generieren ja bedeutung
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