Familienwerte

Daniela Boltres

Die Autorin, 1972 in Bukarest geboren, schreibt ihre Gedichte oft zuerst in rumänischer oder siebenbürgisch-sächsischer Sprache und »übersetzt« sie danach ins Deutsche. Anm. d. Red. „Risse“

SIEBENBÜRGISCH-SÄCHSISCHE WELT
IN WORT UND BILD
*

Die Glocken läuten.
Ich lernte von Opa,
wo ich sitzen darf.
Beim Herrn Pfarrer,
wo das Dorf im Himmel stand.

Im Garten jätet Oma.

Die Sirenen bellen.
Vater lernte nicht,
wann man nicht mehr arbeiten darf.
In der Schule lernte ich,
dass ich zu lernen und zu lernen hab.

Im Garten jätet Oma.

Der Himmel brennt.
Orange fällt die Wäsche
Mam' in den Schoß.
Im Spital liegt ein Arm voll
Hiroshima** bloß.

Im Garten jätet Oma.

Der Himmel brennt.
Die Sirenen bellen.
Die Glocken läuten.
Im Garten jätet Oma.

*) Übersetzung aus dem Siebenbürgisch-Sächsischen

**) Hiroshima heißt im Volksmund ein Stadtteil in Zeiden/Codlea in Siebenbürgen in Rumänien, in dem ein Chemiebetrieb seine Abwässer ungefiltert in den Fluss einleitete.

Das siebenbürgisch-sächsische Original:

SAKSESCH WORELT A WOERT OCH BELD

De gleuken leeden.

M'am ota hun ech geloirt,
wie ech sazen toerf.
m'am har for,
wie det dorf am heemel steut.

De oma kreet am guerten.

De sirenen billen
Der tat huet net geloirt,
wonoi em arbeden toerf.
An der scheil,
dat eaos loend die ouwen stoet.

De oma kreet am guerten.

Der heemel broat.
Orange foalt de waesch
der mam an den scheis
am spideol kit en
orfoll hiroschima un.

De oma kreet am guerten.

Der heemel broat.
De sirenen billen.
De gleuken leeden.
De oma kreet am guerten.

Aus: RISSE. ZEITSCHRIFT FÜR LITERATUR IN MECKLENBURG UND VORPOMMERN, NR. 23 | HERBST 2009, S. 26-28

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