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Am 30. März 1601 starb der Augsburger Meistersinger Johannes Spreng. Geboren wurde er an unbekanntem Datum im Jahr 1524. Aus Anlass des 500. Geburtstages heute ein Stück aus seiner Übersetzung und Nach-Dichtung der Metamorphosen des griechischen Dichters Ovid. Aus den breit erzählenden Hexametern des alten Griechen macht der Meistersinger, der das Dichten zunftmäßig in der Meisterschule gelernt hat und ausübt, deutsche Knittelverse. Ovid kennt keine Kapiteleinteilung. Das gesamte umfangreiche Werk ist in 15 Bücher eingeteilt, die einzelnen Geschichten, die Metamorphosen und Verwandlungen gehen ineinander über. Schon zu Sprengs Zeiten galt das als zu anstrengend, und so kürzt er die Erzählung drastisch und teilt die einzelnen Bücher in kurze Kapitel ein. Diese wiederum bestehen nach Art der damals beliebtem Embleme aus mehreren klar abgesetzten Einzelteilen. Bei Spreng sind es jeweils 5 Teile: 1. eine Überschrift, 2. ein Holzschnitt, der die Handlung verbildlicht, 3. eine Prosaeinleitung, dann 4. das eigentliche Gedicht in paarweise gereimten Knittelversen und noch obendrein 5. eine Moral oder „Außlegung“, ebenfalls in Knittelversen. Offenbar brauchen die Leser didaktisch und dogmatisch aufbereitete Geschichten. Nicht zuletzt weil Ovids Erzählung heidnisch ist und die „Außlegung“ die Kurve zur christlichen Bibel kriegen muß. Ich teile zur Jahrhundertfeier die ersten 4 Teile (also ohne die Auslegung) der neunten Verwandlung (= des 9. Kapitels) des ersten Buches mit. Es ist die Geschichte, die die Bibelleser als Sintflut kennen, bei Spreng heißt es Sündfluß. In der Originalausgabe von 1571 sind das nicht einmal 2 Seiten, wenn man die Grafik abzieht.

NAch dem Jupiter in der Götter beyseyn vnd versamlung sich berahtschlagt / mit was pein oder straff [Strafe] das Menschliche Geschlecht fürnemlich heimzusuchen vnd außzutilgen were / Hat jm endtlich (von wegen deß Lycaonis gewaltthätigen handlungen / auch umb der andern Menschen boßheit willen / die mit jren lastern die Götter selbs anreitzen / vnd vilfeltig versuchen) gefallen / den gantzen Erdboden mit reichlichem vnauffhörlichem wasser zu vbergiessen / vnd alles was darinnen zu versencken / In welchem gewässer alles Menschlich fleisch (außgenommen zwo Personen) ist vnder[ge]gangen.
P. Ouidij [Ovids] Verwandlung /
Weitere Erklärung.
NAch dem in sünden vngerecht
Sich vmbweltzet Menschlich Geschlecht
In das verderben / auch zu hauff
Thet [tät] rennen gar mit vollem lauff
Darneben mutwillig vorab
Weder vmb straff noch warnung gab
Da kam bald vber sie die rach
Deß Jovis [Jupiters] zoren [Zorn] gar anbrach
Sein meinung was [war] der Menschen schar
Mit wasser außzutilgen gar
Vnd diesen seinen raht beysich
Thut er vollziehen schnelligklich
Schickt ein grossen Regen vom Himmel
Zu hauff die Wasser mit gewimmel
Werden oben gegossen auß
Fallen hernider nach der bauß
Schier gantze flüß kommen von oben
Das Meer facht [fängt] an hefftig zu toben /
Laufft vber / thut die Leut erschrecken
Die Flüß das Erdterich [Erdreich, Erderich] bedecken
Die hohe Thüren auch verschwinden
Die Berg man fort nit mehr kan finden
Im Wasser ligen sie versenckt
Durch vngewitter gantz ertrenckt
Es ist nur ein Teil Meer
Tier / Vögel / vnd das Menschlich Heer
Allda gentzlich in grundt verdirbt
Eins jämmerlichen todes stirbt /
Auß den Leuten mannicherley
Sind vberig zwen [zwei] Menschen frey
Das ander alles mit verdriessen
Allda sein leben muss beschliessen
Der große Wasserguß zu mal
Reißt alles hinweg mit vnfall.
P.OVIDII NASONIS.|| Deß sinnreychen || vnd hochverstendigen Posten/|| METAMORPHOSES.|| oder Verwandlung/ mit schönen künst=||lichen Figuren gezieret/ auch kurtzen … || Argumenten vnd Außle=||gungen/ erkläret/ vnd in Teutsche || Reymen gebracht/|| Durch || M.Johan Spreng/ von Augspurg.|| Frankfurt/Main : Rab, Georg, Weigand Han Erben, Feyerabend, Sigmund, 1571, S. 17f – Online Ausgabe: Berlin : Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Germany, 2015 PURL: http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB0001A6D000000000
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