Ein Texttyp

Diese* Rezension fängt gut an:

Es gibt Lyriker, die unentwegt wollen, was sie schon können. Ihre Gedichte laufen Gefahr, wie aus dem Register gezogen zu wirken. Sie sind kunstfertig gebaut, elegant im Auftritt, aber durch ihren reibungsarmen Gestus auch wieder schnell vergessen. Der Sirenengesang des leichten Gelingens nimmt sie in seinen Kanon auf. Es gibt aber auch Lyriker, die ihr Können immer wieder am Eigensinn ihres Wollens erproben, an einer Poetik, die nie ganz in Besitz genommen werden kann. Ihre Verse bleiben offen, dem Ungesicherten treu, dem Streben nach der nie zu erreichenden, endgültigen Form. Gerade die ausgehaltene Nähe zur Möglichkeit des Misslingens kann zum überraschenden Glücksmoment bei der Lektüre werden.

Oder eigentlich, es wäre ein guter Anfang eines Essays. Wir dürften erwarten, daß beide Typen an Beispielen vorgestellt  und erörtert werden. Der Essay machte, Konjunktiv, einen Vorschlag, wie man die Dinge auch sehen kann. Vorausgesetzt man will was sehen.

Es ist aber kein Essay, sondern eine Rezension. In einer Rezension weiß man spätestens nach dem zweiten, dritten Satz, wie es weitergeht. Es geht gar nicht darum, verschiedene Typen von Autoren vorzustellen. Auf den Ausgangspunkt wird gar nicht zurückgekommen. Es geht um einen Einstieg, einen Aufhänger. Der Verfasser braucht einen dunklen Ausgangspunkt, um seinen Gegenstand, den zu besprechenden, zu lobenden Band umso heller strahlen zu lassen. Der Aufhänger ist leere Rhetorik. So fängt man eben Rezensionen an, mehr ist da nicht. Und Texte der anderen, erörternden Art, gibt es hin und wieder in Essays von Lyrikern, nicht im Feuilleton.

*) Welche Rezension? Es ist für unseren Zusammenhang unwichtig. Wer will, kann sie leicht finden. Es hat nichts mit dem besprochenen Autor zu tun.

4 Comments on “Ein Texttyp

  1. Mir gefällt dieser Einstieg auch gut. Und ich habe zwar keine Begründung nach der Bewertung „leere Geste“, aber ich habe spontan einige Namen im Kopf, die mir dazu einfallen. Wo eben vornehmlich Form und Eleganz angestrebt werden, was ja nicht grundsätzlich etwas Schlechtes ist. Aber wenn sich jemand lediglich auf diese Form beschränkt, so verstehe ich zumindest obigen Kommentar, dann wirkt es auf den Leser bisweilen ermüdend und es bleibt eben nichts, als vielleicht der Gedanke an die „saubere, elegante Form“.

    Namen hat er vermutlich nicht genannt, um niemanden zu vergrätzen.
    Ich persönlich mag die Varianz auch lieber, aber es gibt auch Formen, die ich bisweilen gerne lese (manch wenige auch schreibe), mag aber auch ansonsten das freie (Verse) und Ausprobieren am liebsten (lesen und schreiben).

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  2. gar nichts ist dagegen zu sagen. soll er doch hell jubeln. mich stört nicht seine bewertung, sondern die leere geste, die tut als ob sie etwas sagt, das aber gar nicht tut. (in den von mir zitierten sätzen, nicht im rest der rezension, über die ich gar nicht sprach). wenn er was über dichter die „unentwegt wollen, was sie schon können“, zu sagen hat, soll ers sagen, mit freuden und vielleicht gewinn könnte man das lesen. wenn er aber nichts dazu zu sagen hat oder das aus irgendeinem grund nicht sagen will, warum spricht er dann davon? 4 ganze sätze ohne die spur eines arguments oder wenigstens eines namens. leere rhetorik, die so tut als würde sie was sagen, löst eben verdruß aus (zumal das ein häufig gebrauchtes verfahren in der kritik ist, ich hab das in den letzten jahren mehrfach kommentiert, zb hier https://lyrikzeitung.com/2013/12/16/65-die-kontrastierer/). ich wüßte nicht was daran akademisch sein soll. außer du wolltest meinen kommentar abbürsten ohne die mühe eines arguments. es muß ja nicht zur absicherung sein.

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  3. was ist dagegen zu sagen, seine hellen begeisterung von einem dunklen falschen grund sich abheben zu lassen? man muss nicht alles akademisch absichern

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