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Zach ist am 27. Jänner 1943, zwei Monate vor seinem 24. Geburtstag, in Brandenburg hingerichtet worden. Eine Woche später wurde die Leiche eingeäschert, die Herausgabe der Urne an seine Familie verweigert.
Während der anderthalbjährigen Haft hatte Zach in den Zuchthäusern Karlau bei Graz und Berlin-Moabit, ja sogar auf den Transporten zwischen Berlin, Graz und wieder Berlin ein umfangreiches lyrisches Werk geschaffen – an die 600 Gedichte, die er mit offizieller Schreiberlaubnis verfasst hatte, dazu noch 200 heimlich entstandene, die in 80 Kassibern, im Gummizug der Schmutzwäsche versteckt, seinem Rechtsanwalt in die Hand gedrückt oder durch die Zellenwand gemorst und von einem Mitgefangenen aufgeschrieben, nach draußen geschmuggelt werden konnten. Es ist vor allem seinem Bruder Alfred zu verdanken, dass sie gesammelt und über die Zeit der Naziherrschaft gerettet werden konnten.
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Wer sich heute zu Richard Zach bekennt, macht sich doppelt verdächtig. Zum einen politisch, als Kommunistin oder Kommunistensympathisant, die oder den weiterhin das geballte Ressentiment der veröffentlichten Meinung trifft, zum andern kulturell, weil sie oder er sich dem herrschenden Dünkel entzieht, demzufolge politische Kunst muffig, spießerhaft, höchstens gut gemeint sei. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, was Zachs näherer Landsmann Günter Brus, der als der begabteste und wenigdümmste Vertreter des Wiener Aktionismus angesehen werden darf, in seinem autobiografisch durchwirkten Romanessay „Das gute alte Wien“ (2007) geschrieben hat: „Die Aufarbeitung der politischen Vergangenheit Österreichs fiel bei mir weitgehendst durchs Sieb, jedenfalls was die Aktionen betrifft. Ich wie auch meine Kollegen wollten unsere Arbeit politisch wertfrei halten. Unter der ,Aufschreigebärde‘ der Aktionen wäre die Kritik an Österreich in der gesamten Bandbreite subsumiert, meinte ich.“
Und weiter: „Der schlimmste Fall auf dem Erdball ist der Einfall. Entweder fallen Horden ein, oder einer hat eine Idee, wie die Welt zu verbessern wäre. Es ist nun einmal klarzustellen, dass die ,engagierte Ästhetik‘ in Österreich immer von zweit- oder drittrangigen Künstlern in Betrieb gesetzt wurde. Selbst von sozialistisch engagierten Künstlern blieben nur Gemeindebaumosaike übrig, so sie nicht später zertrümmert wurden. Und sie wurden ob ihrer lächerlichen Hässlichkeit fast alle zertrümmert. Ich vermute, in Wien wären Grass oder Koeppen arm an Diskussionspartnern gewesen. Auch für Theodor Kramer und Jura Soyfer wurde keine Tribüne errichtet. Sie waren bestenfalls ein ,Brechmittel‘. (Ausdruck vermutlich von Conrad Bering).“ (…)
Mehr noch als Kramer und Soyfer ausgesperrt aus dem Kanon der österreichischen Literatur, einerseits weil seine Gedichte als zeitgebunden angesehen wurden, durch Pathos und Appell verstörten, wegen des Festhaltens am Reim (der ihm nicht Konvention, sondern Lebenshalt war) für altertümlich galten; andererseits weil er – vom Lyriker Alois Hergouth abgesehen, der aber außerhalb der Steiermark selbst ein Geheimtipp war und geblieben ist – prominenter Fürsprecher ermangelte. Der nach der Befreiung von der Naziherrschaft als Erster auf Zachs Gedichte aufmerksam gemacht hatte, sein Freund Presterl, fiel in Jugoslawien einem politisch motivierten Justizmord zum Opfer. (…)
Durch Zachs schönste Gedichte strömen, wie zwei unterirdische Flüsse, diese gegensätzlichen Empfindungen, um sich, Strophe für Strophe, in den Schlusszeilen in ein offenes Herz zu ergießen. Man muss ihn in eine Reihe anderer Schriftsteller stellen, die sich durch die Einheit von Talent und Charakter ausgezeichnet haben und, um noch einmal Kaiser zu zitieren, durch ihr praktisches Engagement von einer bevorstehenden Umkehr, einer Wende zu einem humaneren Verhalten der Menschen zeugen. „Ihre Tat ist der Lichtpunkt im allgemeinen Dunkel.“ / Erich Hackl, Die Presse 25.10.
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