131. Wider Kliquenbildnerei und Abgrenzerei

„Die lyrischen Palimpseste Norbert Langes werden tiefe Spuren hinterlassen in der Lyrik des 21. Jahrhunderts.“ hat Michael Braun über die Gedichte von Norbert Lange geurteilt, der mit „Rauhfasern“ 2005 ein beachtenswertes Debüt hingelegt hatte. Mara Genschel schrieb seinerzeit: „In seinem ersten Gedichtband wetzt Norbert Lange gehörig an den altehrwürdigen Wänden und gelangt zu Schichten, Rissen, Fasern, die in ihrer spröden, dringlichen Schönheit freizulegen sicher nicht möglich wäre ohne eine listige, von gewissem Misstrauen zeugenden [sic] Zerstörungslust.“ Vielleicht war es nicht die Zerstörung, sondern eher der Wille zur Ablösung, das Bedürfnis nach Auflösung. Das läßt sein neues Buch vermuten, das soeben bei Reinecke & Voß erschienen ist.

Norbert Lange hat verschiedene poetologisch relevante Aufsätze aus den letzten Jahren zusammengefasst unter dem Titel „Das Geschriebene mit der Schreibhand“. …

Daß es etwas wie Sprache gibt, ist ein Wunder, das wir nicht zu verantworten haben. Aber wir dürfen das Geschenk annehmen und es uns genau anschauen. Damit umgehen. Unter anderem Gedichte schreiben. Letztenendes ist alles nur Spiel. Und dabei gibt es begabte und weniger begabte Leute, melodische Klänge und weniger melodische. Knochentrockene Gehirnkekse und flüssiges Gold. Das ganze Gedönse um zu schreibende oder nicht zu schreibende Lyrik ist vollkommener Blödsinn. Und die ganze Kliquenbildnerei und Abgrenzerei, die betrieben wird, ist einfach nur schädlich. Es geht darum, das individuelle Spiel anzunehmen und die chemischen Zulassungen in sich selbst aufzubrechen oder zu verändern. Sprachchemie zu haben, die zu einem passt. Manche pflegen sie nur und schreiben trotzdem passable Gedichte. Andere zerhauen alles und schreiben nur Schrott.

Mit Norbert Lange hat das alles soweit zu tun, daß er aktuell zu den Poeten gehört, die tief und stark reflektieren und alles auf eine Weise in Frage stellen, die fruchtbar ist. Über weite Passagen seines Buches führt er den Leser, manchmal etwas zu angestrengt und anstrengend, zu den Fragen, die Sinn machen. Die also Sinnfindungen im Leser evozieren. Das ist wunderbar. Das ist man gar nicht mehr gewohnt, es gibt zu viele überschätzte, hochbeachtete Wortmelder, die einfach nur Unsinn erzählen und auf lange Sicht der Poesie mehr schaden als nutzen, weil sie ein Schott nach dem anderen dicht machen, um in ihren Kabinen alleine zu sein. Lange löst sich, kappt Seile und schwebt erst mal herum, und dann dockt er an und deklariert nicht gleich das entdeckte Land zu einem lebenslangen Hinterindien. / Frank Milautzcki, fixpoetry.com

Norbert Lange
Das Geschriebene mit der Schreibhand
Aufsätze
Taschenbuch 12 x 19, 112 Seiten
Originalausgabe
Reinecke & Voß 2010
9,95 Euro
ISBN: 978-3-9813470-2-9

3 Comments on “131. Wider Kliquenbildnerei und Abgrenzerei

  1. Da freue ich mich drauf, der Lange is einer der hellsten!!!

    PLUS: stimme zu: lest ma mehr Schmerle, leute …

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