Lyriker in kriegerischen Zeiten

Wie soll sich ein Lyriker in kriegerischen Zeiten verhalten, hin und her gerissen zwischen Marginalisierung, Verstummen und Empörung? Darüber diskutierten am Wochenende vier ukrainische Literaten aus der Ost- und Westukraine in einer bunt gewürfelten Runde, die nur die proukrainische Gesinnung einte. Liubow Jakymchuk, die jüngste im Kreis, die aus dem umkämpften Osten der Ukraine stammt:

„Als der Krieg begann, war mir wichtig zu zeigen, was mit meiner heimatlichen Welt passiert, mit meinen Nächsten. Es ist eine Welt, die in Stücke zerfällt. Auch die ukrainische Sprache hat sich verändert: Es erscheinen neue Worte, neue Inhalte in alten Worten, es gibt eine Manipulation mit Worten, und zwar auf staatlicher Ebene. Und mit all dem habe ich als Dichterin zu arbeiten. Ich muss Mittel finden, in dieser sich verändernden Welt darüber zu sprechen, was mit uns geschieht, um nicht Manipulationen zu erliegen.“

In Liubov Jakymchuks Gedicht über das abgeschosssene Flugzeug gehen nicht nur Welten zu Bruch, sondern die Worte. Der Krieg wird nicht in Verse gesetzt, er zer-setzt sie. Die Sprache wird zerhauen, fragmentiert, zerstückelt, übrig bleiben Töne, Rhythmen. Unübersetzbar. Das Schlüsselwort ist „schramm“, die Schramme, Narbe. Rückwärts gelesen bedeutet es Marsch.

„Ich will nicht, dass sich meine Gedichte staatlichen oder politischen Vorgaben unterordnen und zur Dekoration werden. Ich will nicht, dass die Politik meine Gedichte bestimmt und mich beherrscht. Es soll umgekehrt sein: Ich muss mit der Sprache arbeiten, um bestimmte Gedanken, Emotionen und Worte zu retten und zu beschreiben. Nur so kann ich etwas verändern.“

/ Barbara Lehmann, DLR

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