(z.B. also Lyrik), sagt auch die Dolomiten vom 10.4.02,
Denn der freie, denkende Mensch ist der mit unnützer Bildung gestärkte Mensch.
Die deutschsprachige Zeitung aus Südtirol berichtet auch von einer
Schreibwerkstatt für italienische Oberschüler. Drei Tage lang sind der Dichter Ingo Cesaro und der Musiker Bernd Schellhorn in Bozen zu Gast, um mit Schülern die Musikalität und Rhythmik dieser Gedichtform zu erarbeiten.
Ingo Cesaro hat zwar italienische Vorfahren, lebt aber wie sein Musikerkollege Schellhorn im bayrischen Kronach. Seit über dreißig Jahren befasst er sich mit Haiku, schrieb selbst unzählige solche Kurzgedichte und veranstaltet dazu europaweit unterschiedliche Arbeitseinheiten.
Das Multisprachzentrum des Amtes für Zweisprachigkeit und Fremdsprachen hat heuer für seine bereits seit Jahren bewährte Veranstaltungsreihe „Sprachwiese“ die Thematik „Rund um Musik und Deutsch“ gewählt. Und die einfachste Art, die Angst vor der Lyrik zu verlieren und selbst Gesdichte zu schreiben, bietet laut Cesaro die für alle Sprachen geeignete Versform des Haiku.
In der FR setzt Klaus Garber die Debatte um Nationalphilologien fort:
Gäbe es eine Kultur des Erinnerns in Deutschland, müsste auch dieser literarische Aufbruch inbegriffen sein. Wir scheuen uns nicht, Opitzens Trostgedichte in Widerwertigkeit des Krieges der Jahre 1619/20 – ein Werk, das der geschilderten Situation entsprang und sie in Bildern von packender Gewalt festhielt – als eines der großen Zeugnisse des verspäteten literarischen Humanismus auf deutschem Boden zu apostrophieren. Wer aber kennt es noch? In die Reclam-Ausgabe seiner Gedichte ist es verstümmelt eingegangen und ansonsten leicht greifbar nicht verfügbar. Und sieht es anders aus mit der großen politischen Lyrik aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, in der sich der Schauder vor den Gräueln auf ergreifende Weise mit der Sehnsucht nach Frieden und der verzweifelten Ausschau nach Sinn und Deutung des Unfassbaren verbindet? Paul Fleming, Simon Dach, Johann Rist, Andreas Gryphius und wie sie sonst heißen, haben ihr ihre Stimme geliehen. Später zum Friedensschluss werden es die Nürnberger Harsdörffer und Klaj, Helwig und Birken sein, die in teilweise atemberaubend gewagten Versen den Frieden begrüßen, in denen die deutsche Sprache eine artistische Geschmeidigkeit und eine Formvollendung erlangt hat, die den späteren virtuosen Schöpfungen eines Eichendorff und Brentano gewiss nicht nachstehen
/ FR 9.4.02
John Thomas schrieb Gedichte und hütete einen Schatz – in den 60ern nahm er jedes Gespräch auf Tonband auf. Nun ist Charles Bukowskis Mentor 71-jährig gestorben. / Nachruf von FALKO HENNIG, taz 9.4.02 – 2 Auszüge:
„John nahm alles auf, wir hörten es uns am nächsten Tag an, und das war für mich eine nützliche Angelegenheit. Mir wurde klar, wie dumm und übertrieben und daneben ich oft war, jedenfalls angetütert. Und manchmal auch nüchtern.“
Charles Bukowski, „Burning in Water, Drowning in Flame“
… Solche Nachrichten kommen inzwischen ja per E-Mail. Philomene Long , die Dichterin und Königin der Boheme von Venice, Kalifornien, schreibt:
„Letzte Woche erzählte mir mein Mann John, dass es einen Himmel gibt, der neben uns existiert und in Wechselwirkung steht, dass wir auf viele merkwürdige Arten in ihn hineintreten können: durch Tauben, Samen, das endgültige Händeklatschen, durch zurückgelassenen Müll, durch ein verlassenes Café im Tal des Todes. Zu unserem Jahrestag wollte er ein Gedicht daraus machen, stattdessen trat er hinein am Karfreitag, als er an einem Herzinfarkt starb.“
Der Poesie-Preis 2002 ging an Carl Dennis für seinen Gedichtband «Practical Gods». (L&P bleibt dran).
Bericht der Washington Post , 9.4.02 – Gedichte des Preisträgers bei Poetry Daily .
Die New York Times berichtet am 9.4.02:
The poetry winner was Carl Dennis for „Practical Gods,“ which uses a conversational tone to explore religion from various perspectives.
His reaction to Monday’s good news was more perplexed than conservational.
„Is this a joke?“ the 62-year-old Dennis asked during a phone interview with The Associated Press from his Buffalo home.
„I’ll have to do a reality check,“ he said upon learning it was not.
(Ansonsten war Dennis der einzige Pulitzerpreisträger, für den die NYT keine Besprechungen oder Hintergrundberichte vorweisen konnte. Der Pulitzerpreis (dotiert mit 7.500 Dollar) wird auf künstlerischem Gebiet in den Sparten Fiction, Nonfiction, Geschichte, Biographie, Poesie, Drama und Musik vergeben.)
An elegy on the death of HM Queen Elizabeth the Queen Mother, by Andrew Motion , the poet laureate / Tuesday April 9, 2002
The Guardian
Und noch eine Elegie aus Großbritannien im Guardian:
Elegy for Margaret by Stephen Spender
Poor girl, inhabitant of a strange land
Where death stares through your gaze…
Der Salzburger Slawist Otto Kronsteiner über die alte Literatursprache Slowenisch, ein neues Standardwerk und den Traum vom Nobelpreis :
Es ist bekannt, dass viele slowenischen Dichter zweisprachig gedichtet haben. Schon bei Preseren haben wir eine Reihe von schönen deutschen Gedichten, er kommt allerdings nur in der slowenischen Literaturgeschichte vor und sonst in keiner. Ich habe schon öfter vorgeschlagen, man müsste eine österreichische Literaturgeschichte schreiben, die auch die vielen zweisprachigen Dichter im alten österreichischen Kulturraum erfasst. Es hat nicht nur die slowenisch-deutsche Zweisprachigkeit gegeben. Die Polen, die Tschechen, die Ungarn – alle haben sie auch Deutsch gedichtet. Also müsste man eine österreichische Literaturgeschichte schreiben, in der auch Preseren und die anderen vorkommen, die in zwei Sprachen gedichtet haben. Das wäre für die Zukunft wichtig. …
Welche Chance haben eigentlich Sprachen wie das Slowenische? Es ist ja schwierig in dem großen Europa, sich mit einer Sprache, die von zwei Millionen Menschen gesprochen wird, durchzusetzen. … Eine Gefahr liegt darin, dass es in solchen Literaturen wie den slowenischen sehr viel Lyrik gibt . Lyrik ist sehr schwer zu übersetzen und bleibt daher relativ unbekannt. Die Sprachen und Literaturen, die viele Dramen und Romane haben, haben die besseren Chancen. Daher würde ich mir wünschen, dass sobald wie möglich ein Slowene einen schönen großen Roman schreibt und den Nobelpreis dafür bekommt. Dann würde die slowenische Literatur mit einem Schlag in der ganzen Welt berühmt. / Kleine Zeitung 9.4.02
„Geschichte der slowenischen Literatur“ von Marija Mitrovic. Übersetzung/Bearbeitung: Katja Sturm-Schnabl. Hermagoras/Mohorjeva, Preis: 36 Euro.-
Auf dieser Homepage aus Alaska findet sich ein Gedicht von France Preseren (1800-1849) slowenisch und englisch. Dieses Gedicht ist seit 1987 die slowenische Nationalhymne. Es handelt – außer von Slowenien – vom Wein; hier die erste Strophe englisch:
The vintage, friends, is over,
And here sweet wine makes, once again,
Sad eyes and hearts recover,
Puts fire in every vein,
Drowns dull date
Everywhere
And summons hope out of despair.
– (Übrigens steht vor mit auf meinem Schreibtisch, neben dem Computer, eine leere Weinflasche aus Slowenien, mit einem von Barbara Gauger gestalteten Etikett: Ulla Winblad grüßt France Preseren . Poeten & Poesiefreunde aller Länder…)
Über die Veröffentlichung der Akten des Nobelpreiskomitees bis 1950 berichtet die NZZ:
Paul Valéry wurde ab 1930 fast jährlich lanciert, ehe er 1945 zu genau jenem Zeitpunkt starb, als das Komitee Bedenken wegen Valérys Exklusivität überwand. 1930 wird Valéry als «schwer zugänglich» beurteilt, man fürchtet, er würde das breite Publikum verwirren. Sein Werk sei kein Gewinn für den «menschlichen Geist». Auch danach wird er als dunkel und pessimistisch abgelehnt. Der Nobelpreis sei für ein «breiteres menschliches Interesse» reserviert, heisst es etwa. 1939 wird dem Kandidaten verhaltener Respekt gezollt. Man spricht jetzt von «erlesenen und graziösen egozentrischen Gedankenspielen, ohne eigentlichen Bezug zum Leben und zur Welt». 1943 rühmt dann der Experte für französische Literatur Valérys «ehrliche Wahrheitssuche». Der Schriftsteller Per Hallström als Vorsitzender bekennt aber, dass er in diese «esoterische» Lyrik nicht einzudringen vermöge. Der Scharfsinn der Aphorismen vernichte den seelischen Stoff, den Valéry bearbeite. Der Leser sei nach der Lektüre nicht klüger als zuvor. Erstmals regt sich mit Fredrik Böök, Schwedens einflussreichstem Kritiker, eine Stimme, die für Valéry plädiert. 1945 stirbt Valéry. Hallström lobt jetzt dessen unvergleichliche «geistige Erhebung und Selbständigkeit». Der Vorschlag, ihn postum auszuzeichnen, fällt aber durch. T. S. Eliot indessen wird im selben Jahr als zu exklusiv eingestuft . NZZ 8.4.02
Er wird vielleicht einmal als der einflussreichste nordamerikanische Lyriker des 20. Jahrhunderts in den Literatur-Geschichten stehen; seine Vorbilder Pete Seeger und Woodie Guthrie hat er an Qualität, Quantität und Ruhm längst überholt; seine Lieder wie Blowin‘ in the Wind oder The Times, They Are A-Changing gelten als Kulturgüter, und inzwischen zählt er auch schon 60 Lenze: Folksänger Robert Zimmermann, besser bekannt als Bob Dylan , der sich seinen Künstlernamen nach dem großen walisischen Dichter Dylan Thomas gab. / FR 8.4.02
Über András Ferenc Kovács , einen ungarischen Lyriker aus Siebenbürgen, schreibt die FAZ:
In Ungarn berühmt und beliebt, ist er in Deutschland fast unbekannt. Das ist kein Zufall, denn mit den schillernden Tricks eines anspielungsreichen Maskenkünstlers und gewitzten Wortschaustellers stellt er seine Übersetzer vor eine schier unlösbare Aufgabe. Sein viersprachiger Band „Fragmente“ präsentiert einige Gedichte auch in deutscher, englischer und französischer Übersetzung – und zeigt dabei vor allem eines: Die Annäherung an das ungarische Original ist nur über eine mehrsprachige Brechung zu erreichen, die vor dem geduldigen und polyglotten Leser die Vielfalt des Bedeutungsangebots auszubreiten vermag. Mehrfachübersetzung als Gebot der Wirtschaftlichkeit, aber auch als Übersetzungsstrategie der Machbarkeit. / FAZ 8.4.02
Wer des Französischen mächtig ist, der darf seine Wiedergeburt auch formal erleben. Die Vorliebe des Autors für eine durchgehend gleichhebige Rhythmik, für Reime und Vokalharmonien scheint auf den ersten Blick, verglichen mit den Inhalten die durch diese Form transportiert werden, geradezu antiquiert und unpassend. Man erkennt jedoch schnell, dass diese Form die einzige mögliche für diese Gedichte ist. Denn trotz aller Predigten des Verfalls, versteht sich der Autor doch als ein Bewahrer, als ein Bewahrer des längst Vergangenen freilich. In der offen zur Schau gestellten Menschenfeindlichkeit schwingt auch immer die Sehnsucht nach dem Menschlichen mit, getreu dem Motto, dass der Mensch, so wie er ist, verworfen werden muss, um den Menschen, so wie er sein sollen, zu formen. Es sind, um ein wenig abgewandelt mit Paul Celan zu sprechen, noch Lieder zu singen jenseits der Menschlichkeit, um die Menschlichkeit erst zu provozieren. (folgt zweisprachige Textprobe) / Markus Kuhn, titel Magazin 8.4.02
Michel Houellebecq : Wiedergeburt. Gedichte Französisch-Deutsch; Übers. von Hinrich Schmidt-Henkel. DuMont 2001; Tb; 193 Seiten; € 17,40. ISBN 3770153596
Gäste [in Parchim] sind diesmal Chefredakteur und Redakteure des “ “ aus Berlin, einer periodischen Publikation, die sich selbst als „Zeitschrift für Schreibgruppen und Schreibinteressierte“ definiert.
Der „Wortspiegel“ ist unter der Leitung seiner völlig ehrenamtlich arbeitenden Redaktion längst mehr als lediglich ein Spiegel fremder Worte. Mehr und mehr hat er sich als ein Zentrum des Gedankenaustausches zwischen Ost und West und zwischen Alt und Jung erwiesen. Für das Jahr 2002 hat die Redaktion sich etwas Besonderes einfallen lassen. Thema des diesjährigen Schreibaufrufes ist: “ Zivilcourage zeigen, heißt immer auch Angst überwinden „.
Dazu sollen erlebte oder erdachte Geschichten in Prosa oder Lyrik eingesandt werden. / Schweriner Volkszeitung 8.4.02
Das Deutsche Literaturinstitut Leipzig nimmt zum Wintersemester 2002/03 neue Studenten für den sechssemestrigen künstlerischen Studiengang auf. Bewerbungsschluss ist der 15. Mai. Eignungsprüfungen finden vom 15. bis 19. Juli statt. Informationen finden sich im Internet unter: http://www.uni-leipzig.de/dll . (bil./ Berliner Zeitung April 2002)
In der Frankfurter Anthologie (6.4.02) schreibt Eugen Gomringer über ein Gedicht von Conrad Ferdinand Meyer :
Nachtgeräusche
Melde mir die Nachtgeräusche, Muse,
Die ans Ohr des Schlummerlosen fluten!
Erst das traute Wachtgebell der Hunde,
Dann der abgezählte Schlag der Stunde,
Dann ein Fischer-Zwiegespräch am Ufer,
Dann? Nichts weiter als der ungewisse
Geisterlaut der ungebrochnen Stille,
Wie das Atmen eines jungen Busens,
Wie das Murmeln eines tiefen Brunnens,
Wie das Schlagen eines dumpfen Ruders,
Dann der ungehörte Tritt des Schlummers.
Geradezu evident will da erscheinen, was Olga Orozco , die 1999 verstorbene Grande Dame der argentinischen Gegenwartslyrik, einmal über ihre poetischen Anfänge erzählt hat: «Ich begann zu ‹schreiben›, als ich noch nicht schreiben konnte . . . Da ich leicht zu beeindrucken war, umgaben mich undurchdringliche Geheimnisse wie Steine, beunruhigende Schatten wie Wölfe und Schrecken wie Blitze.» / NZZ 6.4.02
Olga Orozco: Die letzten Splitter des Lichts / Las últimas astillas del reflejo. Gedichte / Poemas. Ausgewählt, eingeleitet und aus dem argentinischen Spanisch übersetzt von Juana und Tobias Burghardt. Teamart-Verlag, Zürich 2001. 133 S., Fr. 36.-.
Wer war die schöne Fremde, die Eduard Mörike zum „Peregrina“-Zyklus inspirierte? – fragt Friedemann Bedürftig in der Süddeutschen vom 6.4.02:
Der Spiegel dieser treuen braunen Augen/Ist wie von innrem Gold ein Widerschein;/Tief aus dem Busen scheint ers anzusaugen,/ Dort mag solch Gold in heilgem Gram gedeihn. “ Der angehende Poet Eduard Mörike, noch keine zwanzig Jahre alt, geriet 1823 in die wohl schwerste Krise seines Lebens. Herz und Hirn verwirrte ihm eine junge Frau, deren Liebreiz aus Trauer und Schönheit, Lebensgeheimnis und Verlorenheit ihm die Seele auszutrinken drohte, wie es der Kollege Theodor Storm in seiner Novelle „Renate“ ausdrückte.
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