Lea Goldstein

Die Badische Zeitung erinnert an die deutsch-jüdische (d.h. von Deutschen aus Deutschland vertriebene), 1935 nach Palästina ausgewanderte Lyrikerin Lea Goldstein. /15.02.03

«Wohin auch immer, nur von Europa weg»

In der NZZ vom 15.02.03: eine Rede des rumänischen Schriftstellers Mircea Cartarescu auf Europa:

Was war Europa für Rimbaud? Ein seichter Tümpel, wo sein trunkenes Schiff im reaktionären, chauvinistischen Schlick stranden musste. … Mallarmé wünschte sich, «weit weg zu rennen», nachdem er zunächst alle Bücher zu lesen versucht hatte, um die Traurigkeit seines Fleisches zu lindern. Und selbst jenes «anywhere out of this world» bei Baudelaire lässt sich übersetzen mit «Wohin auch immer, nur von Europa weg»

Schwarze Ikone

Alina Vituchnowskaja ist eine schillernde Ikone der radikalen Moskauer Jugend und inszeniert ihr Leben als provokative Performance. Und wie das Leben der 29jährigen ist auch ihre Literatur – sie ist, wie es in einem frühen Manifest der russischen Futuristen heißt, eine schallende „Ohrfeige für den öffentlichen Geschmack.“ /Karsten Herrmann, titel -magazin 12.2.03

Alina Vituchnowskaja: Schwarze Ikone. DuMont, 120 S., 14,90€. ISBN 3-8321.5818-9

Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis

Den Osnabrücker Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis erhält der palästinensische Lyriker Mahmud Darwisch gemeinsam mit dem israelischen Wissenschaftler Dan Bar-On. /11.02.03

Girgis Shoukri «Ein Mantel»

In der NZZ vom 10.2.03 stellt Susanne Schanda den ägyptischen Lyriker Girgis Shoukri vor:

Der 35-jährige Lyriker, der sich seinen Lebensunterhalt als Journalist mit Literatur- und Theaterkritiken für ein Radio- und Fernsehmagazin verdient, hat bisher drei Gedichtbände publiziert. Hier im «Grillon» sind sie in der Vitrine ausgestellt, zusammen mit den Büchern der anderen literarischen Stammgäste. Die Titel klingen so surreal wie viele der Gedichte: «Unter meine Schuhsohlen fallend», «Ein guter Mann spricht zu sich selbst» und «Von der Wichtigkeit eines Hundes in einem Theaterstück». Es sind knappe und konzentrierte Momentaufnahmen, teils kafkaesk verfremdet, teils kindlich verwundert oder aber lakonisch subversiv. Etwa im Gedicht «Ein Mantel»: «Mein Mantel und ich machen Winterspaziergänge. / Ich gebe ihm meine Zigaretten zur Aufbewahrung, / Und wir fragen niemanden nach dem Weg. / Ich trage ihn über dem Arm, wenn die Welt zu ersticken droht. / Manchmal springt er auf meine Schulter / Wie eine Katze / Und wenn ihm das Sehnen zu viel wird, / Beissen seine Taschen meine Hand, / Und ich lächle, wieder zufrieden.»

sagen die richtigen/ zeitgemäßen

Wo Rimbaud mit Verlaine die blutige „Neckarschlacht“ begann, wo die „Stiftsköpfe“ Kepler, Hegel, Schelling, Hölderlin, Mörike, Vischer, Strauss Mußestunden suchten und fanden, wo heute Abertausende Touristen den genius loci tot trampeln, da wohnt Eva Christina Zeller und macht die Augen auf und dichtet: „Stiftsgarten, Tübingen“. Lyrisches Scheitern oder Epigonalität scheinen fast zwangsläufig, beherrscht doch die Tradition von Hölderlin bis Celan das poetische Gebiet. Zeller nimmt selbst die Kritik im Gedicht vorweg: „zu antiquiert sing ich sagen die richtigen/ zeitgemäßen wo sind die brüche?“ / SZ 10.2.03

EVA CHRISTINA ZELLER: Stiftsgarten, Tübingen. Gedichte. Klöpfer & Meyer, Tübingen 2002. 91 Seiten, 14,90 Euro.

SMS-Lyrik

Der neuen Gattung der SMS-Lyrik stellt sich Detlev Kuhlbrodt in der taz vom 10.2.03

US-Lyriker gegen Krieg

Immer mehr amerikanische Lyriker äussern sich öffentlich gegen den Kurs ihrer Regierung auf einen Irak-Krieg. Auch Poeten, die ansonsten unpolitisch seien, sollten sich mit Protestäusserungen nicht zurückhalten, erklärte Amerikas amtierender Dichterfürst (Poet Laureate), Billy Collins, nach US-Medienberichten vom Donnerstag. Sie könnten sich nicht auf ihre Lyrik zurückziehen, „während dieses Land in einen Krieg getrieben wird“. …

Collins, seine Amtsvorgänger als Poet Laureate Richard Wilbur, Stanley Kunitz und Rita Dove sowie der Nobelpreisträger Derek Walcott und nahezu 40 weitere Lyriker hatten bereits im vergangenen Monat eine Anti-Kriegs-Petition unterzeichnet. Sam Hamill, derzeit einer der prominentesten Poeten der USA, rief dazu auf, Gedichte gegen den Krieg zu schreiben. / Basler Zeitung 8.2.03

Hamill rief dazu auf, den 12. Februar (zu dem die First Lady namhafte Dichter ein- und inzwischen wieder ausgeladen hat) zu einem Tag der Dichtung gegen den Krieg zu machen.

Mehr: http://www.poetsagainstthewar.org/

S.a. Stuttgarter Zeitung 8.2.03 / Kurier 7.2.03 / NZZ 11.2.03

Berichte über die Lesung der ausgeladenen Dichter: SZ 14.2.03 /

Prominent poets gather in Vermont for a reading in protest of war with Iraq. (From the Rutland Herald .)

Deutsche Lyrik gegen Blödheit

Der Fotograf und Lyrik-Autodidakt Ralf Schmerberg erläutert in der Berliner Morgenpost (8.2.03) , wie er zu seinem Film Poem kam

Sein Film „Poem“ erlebt heute in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz seine Uraufführung. Wiederholung: Sonntag, 16 Uhr, Volksbühne (Tickets sind nur für die Wiederholung erhältlich)

Suhrkamp der Araber

Stefan Weidner berichtet über die Kairoer Buchmesse (FAZ 8.2.03):

Der Geheimtip war diesmal der „Kamel-Verlag“ des in Köln lebenden irakischen Dichters Khalid Al-Maaly. Vom Selbstverlag für irakische Avantgarde-Lyrik hat sich „Kamel“ im Lauf seiner zwanzigjährigen Geschichte zum „Suhrkamp der Araber“ gewandelt. Hier erscheint mittlerweile mehr deutsche Literatur als in jedem anderen arabischen Verlag.

The Raven

Edgar Allen Poes Wunsch, lieber das beste Lied einer Nation als dessen bestes Epos verfasst zu haben, ging mit seinem oft vertonten Gedicht „Eldorado“ schon fast in Erfüllung; mit Lou Reeds „The Raven“ aber hat er ein neues, ein zeitgemäßes und völlig überraschendes Denkmal für Edgar Allan Poe, den Songwriter, erhalten. / KARL BRUCKMAIER, SZ 8.2.03

Das Tal der Rituale

Für die FAZ bespricht Harald Hartung, 8.2.03:

Fuad Rifka

„Das Tal der Rituale“
Ausgewählte Gedichte, arabisch-deutsch

Straelener Manuskripte Verlag, Straelen 2002, ISBN 3891070497
Gebunden, 128 Seiten, 26,00 EUR

Gedichte zum Sonnabend

Klaus Merz, NZZ 8.2.03 – – – Stéphane Mallarmé , ebd . – – – Friedrich Schiller, FAZ 8.2.03

Orangenkalzit

In der Textgalerie des Freitag vom 7.2.03 stellt Michael Braun ein Gedicht von Ralf Rothmann vor:

Das schöne Rätsel dieses Gedichts beginnt schon im ersten Vers, mit einem Wunschbild des Dichters. An wen ist es adressiert? Ist es eine Bitte, die hier vorgetragen wird, oder schon ein Gebet? Wer könnte für die Erfüllung des Wunsches nach den Essentialien des Dichterischen, nach »Stimme und Gedichte«, zuständig sein? Die Musen, die einst als göttlicher Hauch verstandene »Inspiration« oder gar eine veritable transzendente Instanz? Das Dichterische wird jedenfalls mit den illuminierenden Energien eines Steins gleichgesetzt. Der Orangenkalzit ist ein Stein von farbintensiver Transparenz, dem man in der esoterischen Heilkunde außerordentliche Wirkungen auf das innere Gleichgewicht und die Stabilisierung des Ich zuschreibt.

Metamorphosen des Ovid

Martin Bauer bemüht Ovid aus aktuellem Anlaß:

Auch in die kleinste Auswahl der Grundbücher der abendländischen Zivilisation gehören die „Metamorphosen“ des Ovid. Annähernd 20 000 lateinische Verse handeln von einer Götter- und Menschenwelt, die von ständigem Wandel beherrscht wird. Es sind diese Verwandlungen, aus denen sich Konflikte ergeben. Zugleich führen die Verwandlungen aber auch zur Lösung der Konflikte. Die Aufgabe, vor die Ovid sein Publikum stellt, besteht also darin, in der Ursache von Konflikten die Instrumente ihrer Bewältigung zu erkennen. Man kann Ovids Vertrauen in die zivilisierende Macht der Metamorphose belächeln, als die Marotte eines Intellektuellen abtun, der sich so über das Elend seiner Verbannung hinwegtrösten wollte. Aber der Mythos hat immer Recht. / Berliner Zeitung 5.2.03