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(Zwölf Nächte)
Auch der römische Dichter Ovid zeichnet ein düsteres Bild der verkehrten Welt.
Aus: Tristien I, 8
Flüsse werden vom Meer nun rückwärts ins hohe Gebirge
strömen, und Sol wird zurück wenden sein Rossegespann.
Sterne entsprießen der Erde, den Himmel wird furchen die Pflugschar,
Flammen entspringen der Flut, Feuer bringt Wasser hervor.
Alles Geschehen wird strikt dem Naturgesetz widersprechen,
nichts in der Welt wird noch wandeln die eigene Bahn.
Nun kommt alles, was ich für ein Ding der Unmöglichkeit ansah,
und es verbleibt nichts mehr, das keinen Glauben verdient.
Dieses verkündige ich, weil gerade der, dessen Beistand
ich im Unglück gebraucht hätte, mich schmählich betrog.
Deutsch von Volker Ebersbach, aus: Ovid, Tristien. Nachdichtung aus dem Lateinischen sowie Nachwort und Anmerkungen von Volker Ebersbach. Leipzig: Insel, 1984, S. 27
Sol: Sonnengott
Achte Elegie. An einen treulosen Freund
Die tiefen Ströme werden vom Meere in ihre Quelle zurückfließen, und Sol wird mit umgekehrten Pferden rückwärts lenken. Die Erde wird Sterne tragen. Der Himmel wird mit dem Pfluge durchschnitten werden. Das Wasser wird Feuer und das Feuer wird Wasser geben, alles wird den Gesetzen der Natur entgegengehen und kein Theil der Welt wird seine Bahn behalten. Jetzt wird alles geschehen, was ich für unmöglich hielt. Und es ist nichts, was man nicht glauben müsste. Dieses weissage ich, weil ich von dem betrogen worden bin, von dem ich hoffte, in meinem Elende unterstützt zu werden. (…)
Prosaübersetzung aus: Trauerlieder des Ovid in 5 Büchern übers. v. N. G. Eichhoff. Frankfurt 1803 (Ovidius Naso, Publius: Sämmtliche Werke, Frankfurt, 1797ff)
In caput alta suum labentur ab aequore retro
flumina, conuersis Solque recurret equis:
terra feret stellas, caelum findetur aratro,
unda dabit flammas, et dabit ignis aquas,
omnia naturae praepostera legibus ibunt,
parsque suum mundi nulla tenebit iter,
omnia iam fient, fieri quae posse negabam,
et nihil est, de quo non sit habenda fides.
haec ego uaticinor, quia sum deceptus ab illo,
laturum misero quem mihi rebar opem.
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