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Veröffentlicht am 15. September 2021 von lyrikzeitung
Emil Botta
(* 15. September 1911 in Adjud; † 24. Juli 1977 in Bukarest)
Milchbruder
Ausgebrannt sind wir vom Steuernzahlen, ausgeplündert,
Mond und Sterne schwanden uns ins Ungefähr;
im ganzen Weinberg blieb uns nicht ein Pfahl,
und nun gehört uns nichts mehr, gar nichts mehr,
der rote Heller nicht einmal!
Wir tragen, wir Walachen,
die Dornenkrone so wie Jesus, unser Herr;
die Heil’ge Jungfrau trägt bei uns nicht zarte Seidenschuhe
und wandelt nur im Traum auf Lilienteppichen daher.
Am Gürtel schüttelt mit Gebimmel
sein volles Säckchen Gold der Himmel,
und unsre Tränen klappern mit darin — hilf uns, o Herr!
Des Herrgotts Heilige Familie,
die Engel in seidnen, golddurchwirkten Klamotten,
die in Zobelpelzen und Kaschmirwolle verrotten,
die haben längst den Weg zu uns verloren.
Nur einer hat für uns noch Ohren
und wagt es, unter unser Dach zu treten:
Der böse Feind, der Teufel, hört uns beten.
Deutsch von Volker Ebersbach, aus: Lyrik aus Rumänien. Hrsg. Eva Behring. Leipzig: Reclam, 1980, S. 193f
Kategorie: Rumänien, RumänischSchlagworte: Emil Botta, Volker Ebersbach
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